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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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machen«, berichtete Francis und schenkte sich Whiskey nach.
    »Ich war so wütend darüber«, sagte Henry schroff. »Selbst wenn nichts passiert wäre, war es eine fiese Idee. Er wußte, wo der Ersatzschlüssel war, und er hat ihn einfach genommen und ist in die Wohnung gekommen.
    Trotzdem wäre vielleicht noch alles glattgegangen. Es war einfach eine schreckliche Verkettung von Zufällen. Wenn wir im Landhaus vorbeigefahren wären, um unsere Kleider loszuwerden, wenn wir hierher oder zu den Zwillingen gegangen wären, wenn Bunny nur nicht eingeschlafen wäre ...«
    »Er ist eingeschlafen?«
    »Ja, denn sonst hätte er wohl den Mut verloren und wäre gegangen«, sagte Henry. »Wir waren erst gegen sechs Uhr morgens wieder in Hampden. Es war ein Wunder, daß wir den Wagen im Dunkeln wiederfanden, irgendwo in all den Feldern ... Schön, es war eine Dummheit, in unseren blutigen Sachen nach North Hampden zu fahren. Eine Polizeikontrolle hätte uns anhalten können, wir hätten einen Unfall haben können – irgendwas. Aber mir war schlecht, ich konnte nicht klar denken, und vermutlich fuhr ich rein instinktiv zu meiner eigenen Wohnung.«
    »Er ging gegen Mitternacht bei mir weg.«
    »Tja, dann war er von halb eins bis sechs allein in meiner Wohnung. Und der Gerichtsmediziner meint, der Tod ist zwischen ein und vier Uhr morgens eingetreten. Das ist eine der wenigen anständigen Karten, die das Schicksal uns in die Hand gegeben hat.
Bunny war nicht mit uns zusammen, aber er dürfte große Mühe haben, das zu beweisen. Leider ist das aber eine Karte, die wir nur unter den ungünstigsten Umständen ausspielen können.«
    Er zuckte die Achseln. »Wenn er wenigstens das Licht hätte brennen lassen – irgend etwas, das uns einen Hinweis gegeben hätte.«
    »Aber er wollte ja eine große Überraschung veranstalten, verstehst du. Wollte uns im Dunkeln entgegenspringen.«
    »Wir kamen herein, machten das Licht an, und da war es schon zu spät. Er wachte sofort auf. Und da standen wir ...«
    » ... in weißen Gewändern und voller Blut wie eine Erscheinung bei Edgar Allan Poe«, vollendete Francis düster.
    »Mein Gott, und was hat er da getan?«
    »Was glaubst du wohl? Wir haben ihn halb zu Tode erschreckt.«
    »Geschah ihm ganz recht«, bemerkte Henry.
    »Erzähl ihm von dem Eis.«
    »Ja, wirklich, das war der letzte Tropfen«, sagte Henry erbost. »Er hatte sich ein Kilo Eiscreme aus meinem Kühlschrank geholt, um es zu essen, während er wartete – wohlgemerkt, er dachte nicht daran, sich ein Schüsselchen voll zu nehmen, er mußte das ganze Kilo haben –, und als er einschlief, schmolz das ganze Zeug über ihn und über meinen Sessel und auf den hübschen kleinen Orientteppich, den ich hatte. Na ja. Es war ein ziemlich gutes antikes Stück, dieser Teppich, aber in der Reinigung haben sie gesagt, sie könnten nichts dran machen. Ich hab’ ihn in Fetzen zurückbekommen. Und mein Sessel .« Er griff nach einer Zigarette. »Er kreischte wie ein Moorgeist, als er uns sah ...«
    » ... und er wollte gar nicht wieder die Klappe halten«, berichtete Francis. »Vergiß nicht, es war sechs Uhr morgens, und die Nachbarn schliefen noch ...« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß noch, wie Charles einen Schritt auf ihn zuging, um mit ihm zu reden, und wie Bunny Mord und Brand schrie. Nach ein, zwei Minuten ...«
    »Das waren nur ein paar Sekunden«, unterbrach Henry.
    » ... nach einer Minute packte Camilla einen gläsernen Aschenbecher und warf ihn nach Bunny, und sie traf ihn mitten auf die Brust.«
    »Es war kein harter Wurf«, meinte Henry nachdenklich, »aber der Zeitpunkt war ziemlich klug abgepaßt. Er klappte augenblicklich den Mund zu und starrte sie an, und da sagte ich zu ihm: ›Bunny, sei still. Du weckst die Nachbarn. Wir haben auf der Straße ein Reh überfahren.‹«
    »Tja«, sagte Francis, »da wischte er sich über die Stirn, rollte mit den Augen und zog seine komplette Bunny-Nummer ab: Junge, Junge, ihr habt mir vielleicht einen Schrecken eingejagt, ich muß halb eingeschlafen sein, und so weiter und so fort ...«
    »Und unterdessen«, sagte Henry, »standen wir vier da in unseren blutigen Laken; das Licht brannte, die Vorhänge waren offen, und jeder, der zufällig vorbeifuhr, hätte uns sehen können. Er redete so laut, und das Licht war so grell, und ich war halb ohnmächtig vor Erschöpfung und Schrecken, so daß ich ihn nur anglotzen konnte. Mein Gott – wir waren bedeckt vom Blut dieses

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