Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
und voller Erleichterung, entdeckte ich, daß Türen und Fenster noch da waren, wo sie hingehörten, und daß die Möbel sich nicht durch diabolische Zauberei im Dunkeln selbst umgestellt hatten.
Der Türknopf drehte sich. Francis kam aus dem Flur herein. Er atmete schwer und zerrte mit verzweifelten, ruckartigen Bewegungen an den Fingerspitzen seiner Handschuhe.
»Mein Gott, Henry«, sagte er. »Was für eine Nacht!«
Ich war außerhalb seines Gesichtsfeldes. Henry schaute zu mir herüber und räusperte sich diskret. Francis fuhr herum.
Ich bildete mir ein, ihn lässig genug anzusehen, aber offenbar tat ich es nicht. Es stand mir ins Gesicht geschrieben.
Er starrte mich eine ganze Weile an, und der halbausgezogene Handschuh baumelte schlaff an seiner Hand.
»O nein«, sagte er schließlich, ohne den Blick von mir zu wenden. »Henry. Das hast du nicht getan.«
»Leider doch«, sagte Henry.
Francis preßte die Augen zu und öffnete sie dann wieder. Er war sehr weiß geworden. Einen Moment lang dachte ich, er werde vielleicht in Ohnmacht fallen.
»Es ist in Ordnung«, sagte Henry.
Francis rührte sich nicht.
»Wirklich, Francis«, sagte Henry ein bißchen mäkelig, »es ist in Ordnung. Setz dich.«
Heftig atmend, durchquerte er das Zimmer und ließ sich schwer in einen Sessel fallen, wo er in den Taschen nach einer Zigarette wühlte.
»Er wußte es schon«, sagte Henry. »Ich hab’s euch gesagt.«
Francis blickte zu mir auf, und die unangezündete Zigarette zitterte zwischen seinen Fingerspitzen. »Stimmt das?«
Ich gab keine Antwort. Einen Augenblick lang fragte ich mich unversehens, ob das alles vielleicht ein monströser Scherz sei. Francis strich mit der flachen Hand seitlich an seinem Gesicht herunter.
»Vermutlich weiß inzwischen jeder Bescheid«, sagte er. »Ich weiß nicht mal, wieso ich mich so schlecht dabei fühle.«
Henry war in die Küche gegangen, um ein Glas zu holen. Er goß einen Schuß Scotch hinein und reichte es Francis. »Deprendi miserum est «, sagte er.
Zu meiner Überraschung lachte Francis; es war ein kurzes Schnauben ohne Heiterkeit.
»Guter Gott«, sagte er und trank einen großen Schluck. »Was für ein Alptraum! Was mußt du nur von uns denken, Richard.«
»Das ist nicht wichtig.« Ich sagte das, ohne nachzudenken, aber kaum hatte ich es ausgesprochen, da erkannte ich fast mit einem Ruck, daß es stimmte; es war wirklich nicht besonders wichtig, zumindest nicht auf jene vorgefaßte Weise, wie man es hätte erwarten mögen.
»Tja, ich schätze, man könnte sagen, daß wir in einer ziemlichen Klemme sitzen«, meinte Francis und rieb sich die Augen mit Daumen und Zeigefinger. »Ich weiß nicht, was wir mit Bunny machen sollen. Ich hätte ihn am liebsten geohrfeigt, als wir vor diesem verdammten Kino in der Schlange standen.«
»Du warst mit ihm in Manchester?« fragte Henry.
»Ja. Aber die Leute sind so neugierig, und man weiß ja eigentlich nie, wer vielleicht hinter einem sitzt, nicht wahr? Und es war nicht mal ein guter Film.«
»Was war es denn?«
»Irgendein Unsinn über eine Junggesellenparty. Ich möchte nur noch eine Schlaftablette nehmen und ins Bett gehen.« Er trank seinen Scotch aus und schenkte sich noch einen Fingerbreit ein. »Mein Gott«, sagte er zu mir, »du bist so nett in dieser Sache. Das alles ist mir schrecklich peinlich.«
Es war lange still.
Schließlich fragte ich: »Was werdet ihr tun?«
Francis seufzte. »Wir hatten nicht vor, irgend etwas zu tun. Ich weiß, es klingt irgendwie böse, aber was können wir jetzt noch tun?«
Sein resignierter Tonfall ärgerte und bestürzte mich zugleich. »Ich weiß das doch nicht«, sagte ich. »Wieso in Gottes Namen seid ihr nicht zur Polizei gegangen?«
»Das soll doch sicher ein Witz sein«, meinte Henry trocken.
»Hättet ihr nicht sagen können, ihr wißt nicht, was passiert ist? Ihr hättet ihn im Wald gefunden? Oder – Gott, ich weiß es doch nicht – ihr hättet ihn mit dem Auto angefahren, weil er vor euch auf die Straße gerannt ist, oder so was?«
»Das wäre sehr töricht gewesen«, meine Henry. »Es war ein unglückseliger Unfall, und es tut mir leid, daß er passiert ist, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie weit es im Interesse des Steuerzahlers oder in meinem eigenen wäre, wenn ich sechzig oder siebzig Jahre in einem Gefängnis in Vermont verbrächte.«
»Aber es war ein Unfall. Das hast du selbst gesagt.«
Henry zuckte die Achseln.
»Wenn ihr euch gleich gemeldet
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