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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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blieben wir an der Piazza di Spagna, und er fing an, sie in ein Abbild der Hölle zu verwandeln. Er nervte mich pausenlos – mit dem Teppich, mit den Wasserleitungen, mit seinem angeblich unzureichenden Taschengeld. Wir wohnten nur wenige Schritte von der Via Condotti entfernt, der teuersten Einkaufsstraße in ganz Rom. Ich hätte Glück, meinte er. Kein Wunder, daß ich mich so gut amüsierte, denn ich könne mir ja kaufen, was ich wolle, während ihm nichts weiter übrigbleibe, als keuchend in seinem Dachkämmerchen zu liegen wie ein armes Stiefkind. Ich tat, was ich konnte, um ihn zu versöhnen, aber je mehr ich ihm kaufte, desto mehr wollte er haben. Außerdem ließ er mich kaum aus den Augen. Er beschwerte sich, wenn ich ihn nur für ein paar Minuten allein ließ; aber wenn ich ihn aufforderte, mitzukommen in ein Museum oder in eine Kirche – mein Gott, wir waren in Rom  –, dann fand er es schrecklich langweilig und gab keine Ruhe, weil er wieder gehen
wollte. Es ging so weit, daß ich kein Buch mehr lesen konnte, ohne daß er hereingesegelt kam. Meine Güte. Er stand vor der Tür und sabbelte auf mich ein, wenn ich badete. Ich erwischte ihn, wie er meinen Koffer durchwühlte. Ich meine« – er machte eine delikate Pause –, »es ist ja schon ein bißchen lästig, wenn man mit einer unaufdringlichen Person auf so engem Raum zusammen ist. Vielleicht hatte ich nur vergessen, wie es gewesen war, als wir in unserem ersten Semester zusammenwohnten; vielleicht hatte ich mich auch nur stärker daran gewöhnt, allein zu leben – jedenfalls, nach ein oder zwei Wochen waren meine Nerven ruiniert. Ich konnte seinen Anblick kaum noch ertragen. Und auch andere Dinge machten mir Sorgen. Du weißt ja«, sagte er unvermittelt zu mir, »daß ich manchmal Kopfschmerzen bekomme, und zwar ziemlich schlimme, nicht wahr?
    Ich bekomme sie nicht mehr so oft wie früher. Mit dreizehn, vierzehn hatte ich sie dauernd. Aber jetzt habe ich das Gefühl, wenn sie kommen – manchmal nur einmal im Jahr –, sind sie viel schlimmer. Und nach ein paar Wochen in Italien merkte ich, daß sie im Anzug waren. Ganz unverkennbar. Geräusche werden lauter, Gegenstände fangen an zu flimmern, an der Peripherie meines Gesichtsfeldes wird es dunkel, und ich sehe allerlei unangenehme Dinge, die an den Rändern lauern. Ein schrecklicher Druck liegt in der Luft. Ich schaue ein Straßenschild an und kann es nicht lesen; ich verstehe den einfachsten gesprochenen Satz nicht. Man kann nicht viel tun, wenn es so weit ist, aber ich tat, was ich konnte; ich blieb in meinem Zimmer und ließ die Jalousien herunter, nahm Medizin, versuchte, Ruhe zu halten. Schließlich begriff ich, daß ich meinem Arzt in den Staaten ein Telegramm schicken mußte. Die Medikamente, die ich bekomme, sind so stark, daß man sie nicht auf ein Rezept hin ausgeben kann; normalerweise gehe ich zur Notfallambulanz und lasse mir eine Spritze geben. Ich wußte aber nicht, was ein italienischer Arzt tun würde, wenn ich nach Luft schnappend in seiner Praxis erschiene – ein amerikanischer Tourist, der eine Phenobarbitalspritze haben wollte.
    Aber da war es zu spät. Binnen weniger Stunden waren die Kopfschmerzen da, und von da an war ich völlig außerstande, den Weg zu einem Arzt zu finden oder, wenn es mir doch gelungen wäre, mich dort verständlich zu machen. Ich weiß nicht, ob Bunny versuchte, mir einen zu besorgen. Sein Italienisch ist so schlecht, daß er die Leute, mit denen er zu sprechen versuchte, am Ende immer nur beleidigte. Das American-Express-Büro war ganz in der
Nähe, und dort hätte man ihm sicher den Namen eines englischsprechenden Arztes geben können, aber darauf wäre Bunny natürlich nicht gekommen.
    Ich weiß kaum, was in den nächsten paar Tagen passierte. Ich lag in meinem Zimmer, hatte die Jalousien heruntergezogen und Zeitungen davorgeklebt. Es war unmöglich, auch nur Eis heraufgeschickt zu bekommen – man kriegte allenfalls Karaffen mit lauwarmem acqua semplice  –, aber ich hatte schon Mühe, Englisch zu sprechen, von Italienisch ganz zu schweigen. Gott weiß, wo Bunny war; ich kann mich nicht erinnern, ihn gesehen zu haben, aber auch sonst weiß ich nicht viel.
    Wie auch immer. Ein paar Tage lag ich flach auf dem Rücken und konnte kaum blinzeln, ohne das Gefühl zu haben, daß mein Schädel platzte; mir war übel, und alles war schwarz. Ich kam zu mir und verlor wieder das Bewußtsein – bis ich irgendwann einen dünnen Lichtstreifen

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