Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
nichts«, sagte Francis. »Wirklich nicht. Es war alles ein Riesenwitz für ihn. Es machte ihm Spaß, Bemerkungen über den Farmer zu machen, den wir da umgebracht hatten, bloß um zu sehen, wie ich zusammenzuckte. Einmal erzählte
er mir, er hätte einen Polizisten vor meinem Haus gesehen, der meiner Hauswirtin Fragen stellte.«
»Das hat er mit mir auch gemacht«, sagte Henry. »Er behauptete dauernd scherzhaft, er wolle jetzt die Nummer anrufen, unter der sie um sachdienliche Hinweise baten, und wir fünf könnten uns dann die Belohnung teilen. Nahm den Hörer ab. Fing an zu wählen ... Und das Schlimmste war, wir konnten nicht das geringste dagegen tun. Eine Zeitlang erwogen wir sogar, es ihm geradeheraus zu sagen, uns ihm sozusagen auf Gnade oder Ungnade auszuliefern, aber dann wurde uns – ziemlich spät – klar, daß überhaupt nicht abzusehen war, wie er reagieren würde. Er war mürrisch und krank und machte sich Sorgen wegen seiner Zensuren. Und das Semester war auch fast vorbei. Es schien das beste zu sein, ihn bis zu den Weihnachtsferien bei Laune zu halten – mit ihm auszugehen, ihm Sachen zu kaufen, ihm viel Aufmerksamkeit zu widmen – und darauf zu hoffen, daß es über den Winter vergehen würde.« Henry seufzte. »Am Ende buchstäblich jedes Semesters, das ich mit Bunny erlebt habe, hat er vorgeschlagen, daß wir beide eine Reise machen sollten, und damit meinte er, wir sollten an einen Ort fahren, den er aussuchte, und ich sollte dafür bezahlen. Er selbst hat nicht mal das Geld, um nach Manchester zu fahren. Und als das Thema wie zu erwarten eine oder zwei Wochen vor Schulschluß wieder zur Sprache kam, da dachte ich: Warum nicht? Auf diese Weise konnte ihn wenigstens einer von uns im Auge behalten, und vielleicht würde ein Szenenwechsel sich als wohltuend erweisen. Außerdem war es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn er sich mir ein bißchen verpflichtet fühlte. Er wollte entweder nach Italien oder nach Jamaika. Ich wußte, daß ich Jamaika nicht ertragen konnte; also kaufte ich zwei Tickets nach Rom und beschaffte uns Zimmer in der Nähe der Piazza di Spagna.«
»Und du hast ihm Geld für Garderobe gegeben und für all diese nutzlosen Italienischbücher.«
»Ja. Alles in allem beträchtliche Auslagen, aber es schien eine gute Investition zu sein. Ich dachte sogar, es könnte ein bißchen Spaß machen. Aber niemals hätte ich mir in meinen wildesten Träumen ... Wirklich, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich weiß noch, als er unsere Zimmer sah – sie waren übrigens ganz bezaubernd, mit Fresken an der Decke, einem wunderschönen alten Balkon, einer prächtigen Aussicht; ich war ziemlich stolz darauf, daß ich sie gefunden hatte –, als er sie also sah, war er empört und fing an sich zu beschweren: Sie seien schäbig, es sei
kalt, das Bad sei schlecht – kurz, das Haus sei absolut ungeeignet, und er frage sich, wie ich mich damit hätte übers Ohr hauen lassen können. Er habe gedacht, ich sei zu klug, um in so eine lausige Touristenfalle hineinzustolpern, aber vermutlich habe er sich da geirrt. Und er deutete an, daß man uns wahrscheinlich in der Nacht die Kehle durchschneiden würde. Zu diesem Zeitpunkt war ich für seine Launen noch zugänglicher. Ich fragte ihn, wo er lieber wohnen würde, wenn ihm diese Zimmer nicht gefielen? Er schlug vor, wir sollten uns einfach eine Suite – wohlgemerkt, kein Zimmer, sondern eine Suite – im Grandhotel nehmen.
Er konnte kein Ende finden, bis ich ihm schließlich erklärte, wir würden nichts dergleichen tun. Der Wechselkurs war schlecht genug, und die Zimmer – einmal davon abgesehen, daß sie im voraus bezahlt worden waren, und zwar von meinem Geld – gingen eigentlich schon über meine Verhältnisse. Tagelang schmollte Bunny, simulierte Asthmaanfälle, saß mißmutig herum und trompetete in seinen Inhalator, und dabei nörgelte er ständig an mir herum: Ich sei ein Geizkragen, und so weiter, und wenn er auf Reisen gehe, dann tue er es gern richtig – und schließlich platzte mir der Kragen. Ich teilte ihm mit, wenn die Zimmer mich zufriedenstellen, seien sie auf alle Fälle besser als das, was er gewohnt sei – ich meine, mein Gott, es war ein palazzo , es gehörte einer Gräfin, und ich hatte ein Vermögen dafür bezahlt. Kurz, es komme nicht in Frage, daß ich fünfhunderttausend Lire pro Nacht bezahlte, um die Gesellschaft amerikanischer Touristen und ein paar Blätter Hotelbriefpapier zu genießen.
So
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