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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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kommt aus Ecuador«, erklärte Julia, sah zum Himmel und lief dann in das Meer aus hohem Gras hinaus. »Komm!«, rief sie. »So geht es schneller! Man darf nicht über die Wiese am Tag, wegen der Flugzeuge, aber jetzt sind keine da.«
    Sie hüpfte durchs Gras voran, wie sie in Hamburg mit ihrem Springseil durch den Hof gehüpft war. Über ihnen flog ein übermütiger Vogel waghalsige Spiralen und Kreisel und zeigte dem blauen Himmel seine blauen Füße.
    »Gehört der zu dir?«, fragte Julia.
    Marit nickte. »Das ist Loco. Aber er ist nur einer von vielen. In meinem Ärmel sitzt Carmen die Reisratte, und dann gibt es noch Chispa die Seelöwin und Kurt den Albatros und Oskar den Pinguin und Uwe den Wasserleguan … und den Flamingo, der verschwunden ist. Mit Oskar fing es an, ich habe seinen Flügel verbunden, und dann kamen all die anderen ganz von selbst … Wir haben einen kleinen Zoo mittlerweile.«
    »Wer ist wir ?«, fragte Julia. Sie hatten die Wiese überquert und tauchten wieder ins grüne Wirrwarr der Bäume.
    »Oh, José und ich«, sagte Marit. Und dann war sie es, die zu erzählen begann. Sie erzählte Julia nur die schönen und die lustigen Dinge: von den honiggelben Planken der Mariposa und von den Sternbildern, die ihnen nachts den Weg gezeigt hatten. Von der Dosensuppe, die Eduardo gefiltert hatte, und vom Schwimmen mit den Delfinen. Und davon, wie José gedacht hatte, sie wäre ein Junge. Das fand Julia am allerlustigsten.
    »Ich möchte auch einen Bruder haben«, sagte sie und seufzte so schwer, dass Marit lachen musste.
    »Ja«, sagte sie. »Es hat schon was für sich. Wir helfen einander, und wir streiten uns, dass die Fetzen fliegen. Nur heiraten wird er mich nicht.« Sie lachte wieder. »Jedenfalls hat er das gesagt.«
    »Dann heirate ich ihn vielleicht«, erklärte Julia mit großem Ernst. »Später.«
    »Ja, mach das nur«, sagte Marit, »wenn ihr mich dann zum Tortenessen einladet.«
    In diesem Moment teilte sich der Wald und sie traten auf eine weitere Lichtung hinaus. Aber dies war eine künstliche Lichtung, und es war auch gar keine richtige Lichtung, denn hoch oben zwischen den Bäumen wuchs ein loses Geflecht aus Ranken, sodass die Sonne wie durch ein Gitter schien. Julia folgte Marits Blick.
    »Das ist auch für die Flugzeuge«, sagte sie. »Von oben sieht es aus, als wäre alles Wald. Schlau, was? So sehen sie das Haus nicht und die Veranda, weil wir hier doch gar nicht wohnen dürfen, weil … weil … Wie ist das? Die Ecuadorianer sind die Freunde der Amis und die Amis sind jetzt unsere Feinde, und irgendwie deshalb.«
    »Das Haus … und die Veranda«, wiederholte Marit.
    Auf der Lichtung wuchs kein Gras, dort waren Beete angelegt: lange Reihen von Tomaten- und Bohnenstangen, Salat und Ananas und Bananenstauden. Neben dem Haus stand eine kleine Gruppe von Orangenbäumen.
    »Die Orangen, die waren schon da«, sagte Julia. »Die sind uralt, sagt Papa.«
    Marit verstand immer noch nicht, wieso Julia dauernd von Papa redete. Sie folgte ihr benommen zwischen den Beeten hindurch, und am Ende des Weges hüpfte Julia die Stufen einer Veranda hoch, deren Dach mit einem Durcheinander aus violetter Clematis und weißer Passiflora bedeckt war. Genau wie das Haus dahinter. Von oben sah es vermutlich aus wie ein Felsen, den die Kletterpflanzen überwuchert hatten.
    Auf der Veranda, unter den herabhängenden Blüten, standen ein Tisch und zwei Schaukelstühle, ein wenig windschief zusammengenagelt wie auch die Veranda selbst. Und auf dem Tisch stand ein Flamingo, den Schnabel tief in einen Topf versenkt.
    »Der ist seit gestern hier«, erklärte Julia. »Er frisst Suppe, denk dir.«
    »Nein«, sagte Marit. »Er filtert die Teilchen heraus. Er heißt Eduardo.«
    Und dann vergaß sie den Flamingo. Denn in einem der Schaukelstühle saß ein Mann mit einer Brille und las in einem Buch. Der Mann sah auf und Marit erschrak. Die eine Seite seines hageren Gesichts sah seltsam aus, als wäre sie geschmolzen und wieder fest geworden, und Marit begriff, dass es die Narben einer Verbrennung waren. Das Auge auf dieser Seite des Gesichts war geschlossen und sah aus, als würde es für immer geschlossen bleiben. Doch das andere, offene Auge war blau wie der Himmel und voller Leben und der Mund des Mannes lächelte, und da erkannte Marit ihn.
    Sie blieb auf den Stufen der Veranda stehen.
    »Papa«, sagte sie.
    »Guck, was ich gefunden habe!«, rief Julia, griff mit beiden Händen eine Hand von Papa und zog ihn aus

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