Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
Vom Netzwerk:
Wasserratte Feuer spucken.«
    Eigentlich war Wanja noch gar nicht richtig nach Essen zu Mute, so erfüllt war sie von dem, was sie gerade auf dem Trapez erlebt hatte. Aber scharfe Suppen liebte sie und die Suppe von Perun war – wie Jo zu manchen Dingen sagte – »aus der Welt gut«.
    »Hast du O das Trommeln beigebracht?«, hörte sie Mischa fragen, der ihr und Taro gegenübersaß. Taro brach sich ein Stück Brot ab und tunkte es in seine Suppe. »O hat das Trommeln im Blut, genau wie du. Man kann einem Menschen immer nur so viel beibringen, wie in ihm steckt, und in euch beiden steckt eine ganze Menge.«
    »Du bist die geborene Artistin, wie ich gerade gehört habe«, schmunzelte Perun. Er hatte seinen Arm um Noaeh gelegt und wischte sich mit der freien Hand einen Suppenspritzer vom Kinn. Noaeh wirkte unter dem Gewicht seines Armes noch zierlicher, als sie ohnehin schon war. Ihre schmalen Schultern steckten in einem ärmellosen Hemd, das hinten am Hals zusammengebunden war. Ihr lockiges Haar war hochgesteckt, die große, glitzernde Spange funkelte in der Sonne.
    Perun blinzelte Wanja zu, aber ihre gute Laune, das Glücksgefühl, das sie eben noch empfunden hatte, war plötzlich getrübt. Ihr Blick hatte die Wohnwagen am Rande des Wäldchens gestreift und damit kam die Erinnerung zurück. Der unheimliche Alte. Sein Stock, der bei ihrem letzten Besuch in den Himmel gezeigt hatte. Der Schatten, der Vogel … eigentlich hatte sie Taro gleich darauf ansprechen wollen, doch auf dem Trapez hatte sie alles um sich herum vergessen. Jetzt war es wieder da.
    Wanja legte den Löffel weg. Taro unterhielt sich gerade in Zeichensprache mit Sulana. Das Mädchen saß am Ende der Tafel und Wanja zuckte zusammen, als an Sulanas Oberkörper plötzlich wieder die Schlange emporschlängelte und sich in sanften Bewegungen um den Hals ihrer Herrin legte. Sulanas Hände erzählten währenddessen eine Geschichte, die alle am Tisch, außer Wanja und Mischa, zu verstehen schienen. Taro lachte, Pati Tatü, der neben Sulana saß, lachte auch und stieß dem Schlangenmädchen in die Seite. »Das ist aber ganz schön gewagt, weißt du?«
    Sulana lächelte ein kleines, sonderbares Lächeln und Taro wandte sich, nachdem er seinen Suppenteller noch einmal aufgefüllt hatte, Wanja zu. »Wolltest du mich etwas fragen?«
    Wanja schluckte. Womit sollte sie anfangen? Ihr war noch immer nicht ganz klar, ob das, was sie beim letzten Mal gesehen hatte, den anderen auch aufgefallen war.
    »Wer ist der alte Mann, der in dem Wohnwagen dort hinten wohnt?«, fragte sie deshalb als Erstes.
    Taro wandte den Kopf zum Wald. »Unser alter Zauberkünstler. Er heißt Amon.«
    Wanja stutzte. Amon? Diesen Namen hatte sie doch schon gehört, aber von wem? Sie schaute zu Thrym und Thyra, in deren riesigen Pranken die Suppenlöffel wie kleine Dessertlöffelchen wirkten. Zu Reimundo, der ein gelbes Notizbuch aus seiner Jackentasche zog und sich etwas darin notierte. Zu Gata, die mit einem genüsslichen Seufzer ihren Suppenlöffel beiseite legte. Noaeh, die jetzt auf Peruns Schoß saß und ihren Kopf an seine Schulter gelehnt hatte. Sulana, die sich in Zeichensprache mit O unterhielt und Wanja zum ersten Mal nicht mehr unheimlich war. Pati Tatü, der ein kleines Papierboot in seinem Suppenteller herumfahren ließ, worüber Madame Nui, die einen riesigen schwarzen Hut auf dem Kopf trug, mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen den Kopf schüttelte. Und schließlich zu Baba, der sein weißes Hemd aufknöpfte, sicher weil ihm von der scharfen Suppe heiß geworden war. Da fiel es Wanja ein. Neben den drei von Gata aufgezählten Eigenschaften, die ihr auf dem Trapez zu Gute kamen, besaß sie noch eine weitere Fähigkeit: ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis.
    Sie dürfen nicht zu spät kommen, hat Amon gesagt. Das waren Babas Worte gewesen, als bei ihrem ersten Besuchstag der Gong ertönt war.
    Als hätte der kleine Mann Wanjas Gedanken gelesen, schenkte er ihr plötzlich ein mitfühlendes Lächeln, als wüsste jetzt auch er, an wen sie dachte.
    »Bist du etwa deshalb beim letzten Mal so schnell an uns vorbeigerannt? Weil du dem Alten begegnet bist? Oje, oje, du liebes, gutes Mädchen, hier im Zirkus Anima gibt es nichts, wovor du dich fürchten musst, das kannst du dem alten Baba glauben. Amon sieht ein bisschen seltsam aus, nicht wahr? Er lebt sehr für sich, in unserer Mitte sehen wir ihn eigentlich kaum. Aber es ist gut, dass er da ist. Amon ist …« Baba blickte in die

Weitere Kostenlose Bücher