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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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sagt, dass die Antwort in uns liegt, vielleicht hat es ja dann auch etwas mit deinem Vater zu tun. Ich weiß, es klingt verrückt, aber könnte es nicht sein? Die Ausstellung heißt doch auch Vaterbilder. Das ist mir auch erst wieder eingefallen, als mich der Alte darauf ansprach. Aber wo der Zusammenhang liegt, weiß ich auch nicht, ich …« Hilflos hielt Wanja inne.
    Mischa schaute auf den Boden. Er wirkte so verlassen, dass sie ihre Tränen nur mühsam zurückhalten konnte. »Ich weiß es nicht, Wanja. Ich weiß nur, dass …« Mischa hielt inne und Wanja riss erschrocken den Kopf herum. War da was? Ja, da war was. Jemand hatte die Wohnungstür aufgeschlossen, und dass dieser Jemand nicht Mischas Mutter war, war deutlich zu hören. An den schweren Schritten und kurz darauf an der Stimme.
    »Jemand da? – EY! – Ich hab gefragt, ob jemand da ist. – VERDAMMT NOCH MAL, KRIEGT MAN IN DIESEM PUFF VIELLEICHT MAL ’NE ANTWORT?«
    Unwillkürlich musste Wanja an Thyra denken, aber zum Lachen war ihr nicht zu Mute. Stocksteif saß sie da, ihr Herz raste wie wild. Die Schritte wurden lauter, kamen näher. Die Türklinke von Mischas Zimmer drückte sich nach unten und Mischa war schon drauf und dran, aufzuspringen, da hörte Wanja, wie im Flur eine andere Tür aufging. »Ich bin hier, Walter, hier bin ich.«
    Die Türklinke ging wieder hoch. Kurz darauf hörte Wanja, wie die andere Tür zugeknallt wurde. Dann ein Krachen, als ob etwas zu Boden gerissen wurde.
    »Du gehst jetzt besser.« Mischa stand schon an der Tür und hielt sie Wanja auf. »Los, mach dass du wegkommst, los, hörst du! In dieser Stimmung ist mit dem Arschloch nicht zu spaßen.«
    Hinter Wanjas Augen pochte es wie verrückt. Sie hatte mal ein Buch gelesen über so was. Im Deutschunterricht mit Frau Gordon. Aber ein Buch zu lesen und eine Situation zu erleben sind zwei verschiedene Dinge. Zwei völlig verschiedene Dinge.
    »Mach schon. Hau ab jetzt.« Mischa drängte sie in den Flur. Wieder ein Poltern. »Walter, nein!«
    Wanja rannte raus. Sie wollte nur noch nach Hause, zu Jo und Schröder. Doch als sie eine Dreiviertelstunde später dort ankam, erwartete sie noch etwas Schlimmeres. Etwas, das all ihre Fragen in den Hintergrund drängte.

S CHRÖDER
    »Was ist los?«
    Jo stand im Türrahmen, als Wanja das Törchen aufmachte. Dass etwas passiert war, sah sie sofort. Und im nächsten Moment wusste sie auch, was. Sie starrte auf das eingewickelte Bündel in Jos Armen und merkte, wie etwas in ihr schrie. Äußerlich blieb sie ganz ruhig.
    »Er ist überfahren worden«, schluchzte Jo. »Ich bin gerade gekommen. Frau Trockenbrodt hat mich im Büro angerufen. Ach mein Gott, Wanja. Ach mein Gott.«
    Jetzt erschien auch Frau Trockenbrodt in der Tür, sie hatte wohl in der Küche gesessen. Hinter ihrem Rücken schob sich Brian hervor, sein schmutziges Gesicht war tränenverschmiert und Spiderman, seinen alten Hasen, hielt er fest umklammert.
    »Er war gleich tot, Wanja.« Frau Trockenbrodt kam auf sie zu und legte ihr den Arm um die Schulter. »Er hat nicht leiden müssen. Das Auto –«
    Wanja schüttelte den Kopf, sie wollte das alles nicht hören und Frau Trockenbrodt verstand ihre Geste sofort. »Komm« Sie zog Wanja sanft am Arm. »Komm erst mal rein, mein Kind.«
    Wortlos ließ sich Wanja in die Küche schieben. Sie wollte nicht sehen, wie der Schröder aussah, den Jo in ein weißes Bettlaken gewickelt hatte. Sie wollte den Schröder sehen, der heute Morgen noch auf ihrem Bett gelegen hatte, leise schnurrend wie Omas Nähmaschine, mit seinem dicken, zufriedenen Katergesicht. Sie schloss die Augen, aber da war nichts, also öffnete sie sie wieder und drehte den Kopf weg, als Jo sich zu ihr an den Tisch setzte, das weiße Bettlaken, in das sie Schröder gewickelt hatte, immer noch im Arm.
    Brian war auch in die Küche zurückgekommen, er stand dicht hinter seiner Mutter, die Wanja eine Tasse heißen Tee einschenkte und sie ihr auf den Tisch stellte.
    »Ich habe Flora angerufen.« Jos Stimme klang erstickt. »Sie wollte sich gleich auf den Weg machen. Ich möchte, dass wir Schröder im Garten begraben. Ach mein Gott.« Jos Tränen brachen wieder hervor. »Mein Gott, Wanja, er war so alt wie du.«
    Wanja rührte sich nicht, sie nickte nicht einmal. Wie betäubt fühlte sie sich, und als Flora eine halbe Stunde später in der Küche stand, hatte Wanja ihren Tee nicht einmal angerührt.
    Erst als Flora draußen anfing das Grab zu schaufeln, erhob sich Wanja vom

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