Die geheime Reise
Küchenstuhl, holte sich aus dem Gartenhäuschen einen zweiten Spaten und half. Brian kam hinterher, aber er stand nur da und drückte seine Nase die ganze Zeit in Spidermans Fell.
Die Erde war hart und es dauerte eine ganze Weile, bis sie ein flaches Grab zu Stande gebracht hatten. Jo hatte Schröder in eine Holzkiste gebettet, das Bettlaken lag über ihm und Frau Trockenbrodt hatte von zu Hause Blumen mitgebracht, die sie über das Laken streute.
Jo und Wanja legten die Kiste in das Grab hinein, jeder fasste eine Seite. Während Jo sich vor Weinen schüttelte, rührte sich in Wanja noch immer nichts. Auch nicht, als sie und Flora die Kiste wieder mit Erde bedeckten, die Erde mit Blättern beschichteten und Jo das kleine Kreuz hineinsteckte, das sie im Keller aus zwei Hölzern zusammengenagelt hatte.
»Ich bring dich zurück«, sagte Jo zu Flora, nachdem sie eine Weile um das Grab herumgestanden hatten. Floras Auto war seit einer Woche in der Werkstatt und hergekommen war sie mit dem Bus.
»Ich will mit«, sagte Wanja.
»Wenn Sie irgendetwas brauchen?« Frau Trockenbrodt hatte Jo die Hand auf die Schulter gelegt und Wanjas Mutter lächelte tapfer. »Vielen Dank, Frau Trockenbrodt, wir kommen zurecht. Sie haben uns schon sehr geholfen. Du auch, Brian, es war schön, dich dabeizuhaben.«
Brian zog die Nase hoch. Dann machte er einen Schritt nach vorn und drückte Wanja Spiderman in den Arm. »Da«, sagte er. »Damit du nicht so allein bist heute Nacht.«
Mit diesen Worten lief er aus dem Garten und Wanja wunderte sich, dass sich noch immer kein Gefühl in ihr rührte.
Als sie Flora zu Hause abgesetzt hatten, setzte sich Wanja zu Jo auf den Vordersitz. Auf den Straßen war kaum Verkehr, es war halb acht und dunkel, die meisten Leute saßen jetzt zu Hause und aßen zu Abend oder sahen fern. Jo schwieg und atmete die ganze Zeit durch den Mund, weil ihre Nase vom vielen Weinen verstopft war.
Wanja schwieg auch, nur in ihrem Inneren wirbelten Gedanken und Bilder durcheinander wie die Blätter, die der Wind heute Mittag durch die Straßen getrieben hatte. Schröder, schnurrend im Schlaf; Sandesh; der Weg durch den Wald; der schwarze Vogel und seine zuckenden Flügel vor Taros Gesicht; die versiffte Küche in Mischas Wohnung; Mischas Bilder, Jolans Bild von Jo; Jolans Briefe; Amons Frage.
Jo hielt vor einer roten Ampel, ihre Hand legte sich auf Wanjas Bein. »Ach Mäuschen. Denkst du auch die ganze Zeit an Schröder?«
Wanja starrte auf das Nummernschild des Wagens vor ihr. HH – JJ 933. Hinten, auf der Ablage, neben einer Rolle Klopapier, saß ein Wackeldackel und nickte blödsinnig mit dem Kopf.
»Ich denke daran, wie es meinem Vater geht.«
Jos Hand zuckte zurück und Wanja biss sich auf die Lippen. Wie entsetzlich schnell Worte sein können. Um ein Haar wäre Wanja auch noch der Name Jolan rausgerutscht, aber den hatte sie gerade noch zurückhalten können. Als sie sah, wie sich Jos Hand um das Lenkrad krampfte, wünschte Wanja, sie hätte ganz den Mund gehalten. Wie vollkommen idiotisch, in dieser Situation mit ihrem Vater anzufangen. »Jo, tut mir Lei…«, setzte sie an, da hupte jemand auf der Nebenspur. Wanja drehte den Kopf zur Seite und da sah sie das Plakat. Es war eine dieser beleuchteten Glasflächen, die man, wie Jo Wanja einmal erklärt hatte, Cityposter nannte. »Wählen Sie eine familienfreundliche Zukunft« , stand in groß gedruckten Buchstaben unter dem Gesicht eines Politikers. Ein blonder Mann mit grünen Augen und einem breiten Lächeln, das jedoch seltsam künstlich wirkte, weil die Augen es nicht widerspiegelten. Trotz der fehlenden Segelohren wusste Wanja sofort, wer es war. Der Politiker sah aus wie eine ältere Ausgabe von Alex, nur dass seine Ohren anlagen und seine Gesichtszüge härter waren. Bald wird die ganze Stadt mit seiner dämlichen Visage zugepflastert sein. Wanja erinnerte sich noch genau an den abfälligen Ausdruck, mit dem Alex damals über seinen Vater gesprochen hatte.
Als die Ampel auf Gelb sprang, schob sich das Gesicht des Politikers langsam nach unten, während von oben ein neues Plakat auf die beleuchtete Fläche gerollt kam. Es zeigte einen glänzend roten Rahmen und Wanja konnte gerade noch lesen, was darin stand. »Der nächste Besuchstag findet am 17. Oktober um 17:00 statt.«
Endlich regte sich eine Art Gefühl in Wanja. Es war der Wunsch, zu weinen. Aber es gelang ihr nicht.
S TARKE A RME
A uch in den nächsten Tagen kamen keine Tränen, sosehr Wanja es auch
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