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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Wanja wieder ein. Seine Klasse machte heute einen Ausflug, sie würden sich also erst später am Museum treffen.
    »Vielleicht kann man an der Nordsee ja wenigstens reiten.« Tina wickelte ihr Pausenbrot aus und Wanja trat Britta warnend auf den Fuß. Jetzt bloß keine blöde Bemerkung. Kurz nach der Klassenreise würde Tina umziehen und alle wussten, wie sehr ihr das zu schaffen machte.
Alex und Mischa saßen schon auf den Treppenstufen am Eingang, als Wanja um Viertel vor fünf dort ankam.
    »Mann, ist euch das nicht zu kalt auf den Steinen?« Schon beim Anblick der beiden Jungen fing Wanja an zu frösteln. Alex sah heute viel besser aus als beim letzten Mal und grinste Wanja ins Gesicht. »Harte Jungs können so was ab, Baby.«
    »Oh, yeah, natürlich.« Wanja grinste auch und für einen Moment waren ihre Sorgen vergessen, so froh war sie endlich wieder hier zu sein. »Und du?«, sie wandte sich an Mischa. »Wo ging euer Klassenausflug eigentlich hin?«
    Mischa hob eine Augenbraue. »Dreimal darfst du raten.«
»Hm«, Wanja kicherte und grüßte den Jungen mit der Igelfrisur, der gerade an ihnen vorbei die Treppen hochlief. Es tat so gut, hier zu sein. »Ihr ward bestimmt … Ponyreiten.«
»Falsch.«
»Dann ward ihr … bei der städtischen Müllabfuhr!«
Mischa lächelte. »Auch falsch. Wär aber bestimmt ganz lustig gewesen.«
»Also dann …« Wanja legte den Finger an den Mund und tat so, als ob sie scharf nachdachte: »Dann ward ihr vielleicht bei Rumpelstilzchen?«
»Du hast versagt. Wir waren hier, in der Kunsthalle.«
»In der was ? Du willst uns verarschen!« Alex starrte Mischa an, aber der schüttelte den Kopf und hielt Daumen, Zeige- und Mittelfinger hoch. »Ich schwöre. Wir waren in der Kunsthalle. Abteilung Alte Meister. Wir hatten sogar einen Museumsführer, der hatte einen echt scharfen Akzent.« Mischa verstellte seine Stimme »Gänse fleisch ma ihre Günder zur Ruhe rufen, verdammisch nochamal!«
»Der Sachse!« Wanja lachte laut auf. »Der war doch auch an unserem ersten Besuchstag hier. Damals hat er über irgendein Jesusbild philosophiert. Wahnsinn!«
Plötzlich wurde Wanja wieder ganz ernst. »Wie lang das jetzt schon her ist, was? Fast ein halbes Jahr gehen wir schon hierhin.«
»Exakt.« Alex warf einen Blick auf seine goldene Armbanduhr. »Heute ist unser sechster Besuchstag, aber den verpassen wir, wenn wir uns nicht langsam auf die Socken machen. Also, was ist, kommt ihr?«
Er stand auf und Mischa erhob sich ebenfalls.
Wanja drehte sich noch einmal um. Auf dem Platz, der die alte Kunsthalle mit der neuen verband, waren wieder Skateboardfahrer unterwegs. »Wo ist eigentlich Natalie?«
»Schon drin.« Mischa klopfte sich die speckige Jeanshose ab. »Sah irgendwie aus, als wäre sie auf der Flucht vor jemandem.«
In der Eingangshalle stand ein Pulk von Jugendlichen vor der Kasse. Den meisten war es draußen wohl zu kalt gewesen. Der Junge mit der Igelfrisur schnauzte gerade das Mädchen mit den grünen Haaren an, weil ihre riesige, dunkellila Kaugummiblase an seinem Jackenärmel klebte. Der dicke Junge stand dabei und feixte, zwei jüngere Kinder, die aussahen wie Geschwister, flüsterten sich etwas ins Ohr. Natalie war nicht dabei.
Sie hockte neben der Eingangstür auf dem Boden, den Rücken an die Wand gelehnt und sah zu der Engelstatue hoch, die noch immer in der Halle stand.
»Hi«, Wanja ging auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. »Ich glaube, oben wartet ein Indianer auf dich.«
Natalies dunkle Augen waren ganz verquollen, aber sie lächelte schwach und ließ sich von Wanja hochziehen. »Willst du darüber reden?«, fragte Wanja leise. Natalie schüttelte den Kopf und blickte auf dem ganzen Weg zur Abteilung der Alten Meister starr zu Boden. Vor dem Bild des Philosophen stand ein Pärchen. Sie hatten sich an den Händen gefasst und die Frau hatte ihren Kopf an die breiten Schultern des Mannes gelehnt. Als die Mädchen an ihnen vorbeigingen, drehte sich die Frau zu Natalie um und hielt sie sanft am Ärmel fest. Die Frau hatte ein schmales Gesicht mit großen, warmen Augen. Ihre Haut war hell wie die Haut des Mannes, der sich jetzt ebenfalls zu den beiden Mädchen umdrehte und Natalie unsicher anlächelte.
»Hast du Lust, uns später am Ausgang zu treffen?«, fragte die Frau.
Ohne etwas zu erwidern, zog Natalie den Arm zurück und ging weiter. Wanja konnte kaum mit ihr Schritt halten. »Sag mal, waren das deine Eltern?«, fragte sie überrascht. War Natalie vielleicht

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