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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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Warum hatte ich den Vogel nicht einfach liegen lassen? Bevor ich ihm geholfen hatte, hatte er im Sterben gelegen. War das meine Belohnung?
    Ich hielt die Luft an und zählte. Fünf. Zehn. Zwanzig. Der Vogel brauchte ganz schön lange, um mich in Stücke zu reißen. Vorsichtig schaute ich nach.
    »Kraack!«, sagte er, während er mit seinem mörderischen Schnabel mein Haar kämmte.
    Dr.Rust lachte erleichtert. »Offenbar hast du einen neuen Freund gewonnen, Elizabeth.«
    Der Vogel schaute mich aus einem gelben Auge an, das so groß war wie eine Müslischale.
    »Ich denke, er mag es, unter dem Kinn gekrault zu werden«, meinte der Doc.
    »Aber sein Hals«, stammelte ich, »er ist am Hals verletzt.«
    Aber ich hatte unrecht. Die Wunde war verschwunden. Meine Finger fanden nichts als weiches Gefieder.
    »Du hast ihn mit dem Wasser des Springbrunnens gewaschen, stimmt’s? Das Wasser hat Heilkräfte.«
    »Krieck!«, sagte der Vogel sanft, nahm mein Ohrläppchen in seinen Schnabel und spielte mit seiner Zunge an meinem Ohrring. Es kitzelte.
    »Du bist ganz schön schwer, Vogel. Und das kitzelt. Dr.Rust, was für ein Vogel ist das?«
    »Ich weiß es nicht genau. Vermutlich eine Kreuzung. Er sieht wie ein Roch aus, aber sehr viel kleiner.«
    »Kleiner?« Das war der größte Vogel, den ich je gesehen oder von dem ich je gehört hatte.
    Dr.Rust nickte ernsthaft. »Ein Roch ist so groß wie ein großes Haus. Unser Freund hier passt dagegen ganz gut in ein Apartment in Manhattan. Und er hat ein Wellenmuster auf den Flügeln und eine rosa Wachshaut. Womöglich ist er eine Kreuzung aus einem Roch und einem Wellensittich.«
    »Einem Wellensittich? Einem der kleinen Vögel, die man für zehn Dollar in der Tierhandlung kriegt?«
    Er nickte.
    »Du bist ein ziemlich großer Wellensittich«, sagte ich dem Vogel.
    »Krock!«, stimmte er mir zu.
    »Das kitzelt immer noch.«
    »Warum ist Polly jetzt so freundlich, wo er uns doch vorher umbringen wollte?«, fragte Jaya. »Das ist doch wohl der Monstervogel, der euch verfolgt hat?«
    »Wallace Stone hat ihn wahrscheinlich verzaubert, und das Wasser des Springbrunnens hat den Bann gebrochen«, mutmaßte Dr.Rust.
    »Aber warum hat der Vogel mich verfolgt?«, fragte Anjali.
    »Ich wette, Mr.Stone wollte, dass er dich entführt, um dich an Sammler zu verkaufen«, meinte ich.
    »Könnte sein«, sagte Dr.Rust. »Oder er wollte uns ablenken, damit wir nicht auf die Idee kommen, dass er der Dieb ist. Ich muss unangenehmerweise gestehen, dass das bei mir funktioniert hat. Ich habe wirklich geglaubt, er wäre auf unserer Seite. Da fällt mir ein: Wo ist das
Kuduo?
«
    »Hier«, sagte Marc.
    »Danke.« Doc Rust nahm den Deckel ab, sagte ein paar Worte, die ich nicht ganz verstehen konnte, und ließ den Inhalt vorsichtig ins Gras fallen. »Mal sehen, ob wir nicht auf diese Weise herausfinden können, wer mich in der Kristallkugel eingesperrt hat. Ich bin sicher, dass Wallace Stone jemanden ausgenutzt hat, der irgendetwas Wichtiges hier abgegeben hat.«
    Die Pfänder bildeten einen glänzenden Haufen. Ich sah, wie mein Richtungssinn – strahlend, komplex und peinlich – herausgekullert kam. »Oh«, sagte ich, obwohl ich eigentlich den Mund hatte halten wollen.
    André trommelte seinem Bruder auf die Schultern. »Lass mich runter«, sagte er. Marc setzte ihn schwungvoll ins Gras, und André rannte auf meinen Richtungssinn zu und betrachtete ihn. Er streckte eine Hand aus und stieß ihn an. Mir wurde ein klein bisschen schwindlig.
    »Keine Sorge, Elizabeth«, sagte Doc Rust. »Jetzt, wo wir Wallace los sind, finden wir den Kamm bestimmt, und dann kriegst du auch deinen Richtungssinn zurück.«
    Es kamen jetzt nicht mehr so viele Pfänder aus dem
Kuduo
. Der Doc schüttelte ihn sachte und zog etwas Flaches und Dunkles heraus, dann etwas Weiches wie Zuckerwatte und dann etwas Scharfes, das er vorsichtig ins Gras legte. Als Nächstes kam etwas Glänzendes herausgetropft. Es sah unendlich verwundbar und formbar aus, wie eine Idee, bevor man sie ausspricht.
    »Oh«, keuchte Aaron.
    »Das ist also dein Erstgeborenes. Ich kann nicht glauben, dass du das für den Schneewittchen-Spiegel hergegeben hast.« Ich war immer noch schockiert.
    Aaron fuhr hoch. »Nicht hergegeben. Es war ein Pfand – und ich habe es nicht für den Spiegel, sondern für die Chance, Anjali zu retten, gegeben. Außerdem dachte ich, es wäre in Sicherheit.«
    »Es ist in Sicherheit«, sagte ihm Dr.Rust. »Der Spiegel ist doch gut

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