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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Abendessen hört er nicht mehr auf zu erzählen.«
    »Ich wünschte, es wäre so«, flüsterte sie und verbarg ihr Gesicht in Brainers Fell. »Dass er bis zum Abendessen erzählt. Und nie mehr weggeht …«
    Teddys Lachen erstarb. Maggie schien das Gleiche wie er zu empfinden: Seit dem Tod ihrer Mutter hätte er seinen Vater am liebsten nicht mehr aus den Augen gelassen. Er lauschte den Stimmen in der Diele. Sein Vater bemühte sich um einen höflichen Umgangston mit den Polizisten – Leute, die er sonst im Zeugenstand einem erbarmungslosen Kreuzverhör unterzog –, und sie behandelten ihn mit der gleichen kühlen Distanz. Maggie hatte es ebenfalls gehört. Als sie den Kopf hob, schwammen ihre Augen in Tränen.
    »Alles in Ordnung, Maggie.« Teddy schloss sie in die Arme. Ihr schmaler Körper zitterte. Ihre Frisur war grauenhaft, als hätte ihr Vater eine Nagelschere verwendet. Die Haare sahen ungepflegt aus – nicht weit davon entfernt, speckig zu sein –, und sie hätte auch ein Bad vertragen können. Sie müffelte, wie eine Mischung aus Staub und Turnschuhen, die lange Zeit unter dem Bett gestanden hatten. Sie roch wie Brainer, der ohne die liebevolle tägliche Fellpflege seiner Mutter struppig und verfilzt war, voller Laub und Seetang.
    Teddy wünschte sich, Maggie würde nach Limonen und Lavendel duften, genau wie früher ihre Mutter. Und sie sollte gepflegte Haare und einen gerade geschnittenen Pony haben. Sie weinte nun, vermisste ihre Mutter genau wie er; er drückte sie schützend an sich, als der Polizist erneut an ihnen vorbeiging, und flüsterte ihr ins Ohr: »Nicht weinen! Du bist doch meine kleine Schwester, Mags. Die beste Schwester der Welt.«
     
    Maggie missfiel der Lärm. Vor allem die Sirenen, aber auch die Funkgeräte der Polizei, die ohne Unterlass piepsten, wie Mäuse in der Falle. Arme kleine Tiere, in einer Lautsprecherbox gefangen, die gewiss heraus und nach Hause, zu ihren Mamas laufen wollten.
    Die Polizisten störten sie nicht wirklich. Die meisten waren nett – zu ihr. Sie lächelten, gingen in die Hocke, um Hallo zu sagen und sich zu erkundigen, wie es in der Schule lief oder ob sie hoffe, in Mia Hamms Fußstapfen zu treten. Natürlich wegen des Fußballtrikots. Sie gab sich den Anschein, entgegenkommend zu sein, fand es aber nicht der Mühe wert zu erklären, dass dieses Trikot ihrem Bruder Teddy gehörte und sie es nur deshalb trug, um ein kleines Stück von ihm in die Schule mitzunehmen.
    Der Grund für ihre Höflichkeit und das abgrundtiefe Unbehagen, das sie gegenüber allen Polizisten empfand, war, dass sie ihren Vater nicht leiden konnten. Sie dachte, wenn sie sich besonders nett, still und wohlerzogen gab, würden sie vielleicht merken, dass ihr Vater ein durch und durch guter Mensch war. Konnten sie sich nicht vorstellen, was es für ihn bedeutete, seine Kinder alleine großziehen zu müssen? Aber das interessierte die Polizisten offenbar nicht. Sie waren wie die meisten Leute in der Umgebung: Sie sahen nur, dass ihr Vater Greg Merrills Anwalt war.
    Maggie wusste Bescheid. Teddy meinte, sie vor solchen Erfahrungen bewahren zu können, aber sie wusste es auch so. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie rasch erwachsen werden müssen. Sie war erst elf, aber sie fühlte sich uralt. Vermutlich wie zwanzig. Innerlich alt und erschöpft, äußerlich engeriegeladen und aufgedreht wie ein Kind. Sie war auf die Veranda hinausgelaufen, um Teddy Gelegenheit zu geben, sich für die Schule zurechtzumachen: ihn zu entlasten, damit er nicht auch noch Kindermädchen bei ihr spielen musste.
    Ihr Vater saß auf einem Stuhl und wurde gerade von einem Polizisten untersucht, der eine Ausbildung zum Sanitäter hatte. Maggie schlich näher. Sie musste sich vergewissern, dass die Schnittwunde nicht tief und tödlich war. Ihre Mutter war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und damals hatte der Sanitäter auch gedacht, alles sei in Ordnung. Ihr Wagen war nach dem Zusammenstoß mit einer Hirschkuh gegen einen Baum geprallt. Der Unfall hatte sich auf der Shore Road ereignet, direkt hinter der Polizeistation, und es dauerte nicht lange, bis Hilfe eintraf. Dem Bericht des Sanitäters zufolge war sie aufgestanden und zu dem Tier hinübergegangen, um zu sehen, ob es noch lebte; dann hatte sie sich auf den Boden gesetzt, weil ihr schwindelig geworden war.
    Maggie sah alles genau vor sich, obwohl sie nicht dabei gewesen war. Ihre Mutter trug ihr blaues Kleid und weiße Sandalen. In der Nacht war

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