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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Maggies Blick und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.
    Sie musste das neue Kindermädchen sein.
    Maggies Herz begann zu rasen. Sie hatten schon so viele gehabt. Roberta, Virginia, Dorothy, Beth und Cathy. Keine war schlecht gewesen, aber keine blieb lange. Die Arbeitsbedingungen waren ihnen zu hart. Ihr Vater machte so viele Überstunden, dass er jemanden mit außerordentlichem Verantwortungsbewusstsein gebraucht hätte, um gegen den Schlendrian anzukämpfen. Eine Frau, die außerordentlich klug, außerordentlich nett und außerordentlich gutherzig war, eine Frau, die innerlich Anteil nahm, wenn ihr Vater eine Platzwunde am Kopf hatte und Maggie mit einem strahlenden Lächeln bedachte, um ihr zu signalisieren, dass alles gut werden würde.
    Bitte, bitte, lass sie unser neues Kindermädchen sein,
dachte Maggie. Ihr gefielen die Augen der Frau – ein dunkles Blaugrau, wie die Meeresbucht bei Nacht. Doch als sie den Kopf drehte und ihre Augen das Licht einfingen, wirkten sie dunkelgrün wie ein Fluss. Ihre Augen waren lebendig und tiefgründig, in einer Weise geheimnisvoll, die sie bestimmt zu einer guten Geschichtenerzählerin machten. Es war Maggie egal, wie die Wäsche gewaschen wurde, und es war ihr auch egal, ob die Frau blaue oder grüne Augen hatte. Sie interessierte sich für Geschichten.
    Mrs. Wilcox, die direkt nebenan wohnte, trat aus ihrer Eingangstür und kam den Weg entlang. Die Polizei hielt sie auf, wollte von ihr wissen, ob sie etwas gesehen und gehört hatte.
    »Die Wunde muss genäht werden, Counselor«, befand der Sanitäter und machte sich Notizen in seinem Block.
    »Es ist nichts weiter«, erklärte ihr Vater beharrlich.
    »Wenn Sie eine Narbe zurückbehalten wollen, um bei den Scheißkerlen im Knast Eindruck zu schinden, ist das Ihre Sache. Aber das geben Sie mir bitte schriftlich – dass Sie meine erstklassigen medizinischen Empfehlungen in den Wind schlagen.«
    Als Maggie sah, wie ihr Vater nach dem Stift griff, blieb ihr das Herz stehen.
    »Tu’s nicht«, flüsterte sie.
    Sie musste wohl laut aufgeschrien haben, denn alle Anwesenden im Raum fuhren herum und starrten sie an, und Mrs. Wilcox schnappte nach Luft. Brainer kam aus dem Arbeitszimmer herbeigestürmt, direkt an ihre Seite.
    »Maggie, mit mir ist alles in Ordnung«, beteuerte ihr Vater und lächelte, um sie zu beruhigen. Das Blut, das an der Schläfe hinab auf sein weißes Hemd gelaufen war, trocknete bereits ein.
    »Klar, was sonst«, pflichtete der Sanitäter ihm bei, bemüht, sie zu beschwichtigen. »Keine Bange – ich wollte ihn bloß auf den Arm nehmen.«
    Ihr Vater stieß sich mit der rechten Hand vom Sitz ab, stand auf, und Maggie spürte, wie ein Schluchzen in ihr aufstieg und sich seine Bahn brach. » NICHT AUFSTEHEN !«, schrie sie. »Lass dir von ihnen helfen! Nicht gehen, Daddy!«
    »Maggie, es ist wirklich alles in Ordnung.« Er nahm sie in die Arme. »Es ist nicht so wie bei deiner Mutter – es ist nur ein Kratzer – nichts Ernstes.«
    »Setz dich hin, Daddy.« Weinend stieß Maggie ihn auf die Couch. »Bitte, bitte. Lass dir von ihnen helfen! Bitte, Daddy, bitte!«
    »Vielleicht hat sie Recht«, sagte die Frau, das neue Kindermädchen, leise. »Warum tun Sie nicht einfach, was sie sagt? Setzen Sie sich einen Moment … und lassen Sie die Wunde nähen. Ihre Tochter würde sich dann besser fühlen.«
    Maggie weinte und zitterte, spürte den Arm ihres Vaters, der sie umfing, hörte die ruhige Stimme der Frau, und ihr Herz flog ihr zu. Sie war eine Fremde, an diesem grauenvollen, blutigen Dienstagmorgen aus dem Nichts aufgetaucht, um sich ihrer Familie anzunehmen. Und ihrem Vater das Leben zu retten.
    »Wie heißen Sie?«, hörte Maggie ihren Vater fragen, in dem ausdruckslosen, barschen Ton eines Anwalts, den niemand mochte, mit der harten Stimme, die jeden in die Flucht schlug, der sich ihm zu nähern wagte, sich ihnen zu nähern wagte, und die Familie O’Rourke mit ihrer privaten Tragödie und ihrer Schmutzwäsche alleine ließ.
    »Kate. Kate Harris«, antwortete sie.
    »Gut, Kate Harris.« Die Stimme von Maggies Vater war nach wie vor nichts sagend, wenngleich eine Spur eisiger als zuvor, wie ein zugefrorener See. »Ich lasse die Wunde nähen, aber Sie sorgen dafür, dass die Kinder in die Schule kommen. Maggie und Teddy. Mrs. Wilcox, könnten Sie ihr zur Hand gehen?«
    »Natürlich, John.«
    »Über die Einzelheiten des Arbeitsverhältnisses unterhalten wir uns später«, erklärte Maggies

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