Die geheime Waffe
Auch hier war ein Mann beschäftigt, das Boot zu säubern. Jasten kümmerte sich daher nicht weiter um die Yacht, sondern trat erst einmal auf den Steg, der die Mercator mit dem Ufer verband, und kaufte sich eine Eintrittskarte, als wolle er das Schiff besichtigen. Für die Einrichtung im Innern interessierte er sich jedoch wenig, und so stieg er bald wieder nach oben. Vom Deck aus konnte er die Boote im Yachthafen unauffällig mustern. Der Mann auf van Houdebrincks Boot war inzwischen mit seiner Arbeit fertig, verließ die Yacht und verschwand in Richtung Innenstadt.
Es juckte Jasten in den Fingern, zum Boot zu gehen und seine Bombe anzubringen. Da er jedoch nichts überstürzen wollte, beendete er seinen Rundgang auf der Mercator und schlenderte anschließend die Uferpromenade entlang. An einem Fischstand kaufte er sich ein Stück gebratener Scholle
und eine Flasche Cola. Damit setzte er sich auf eine Bank und begann zu essen. Sein Blick schweifte immer wieder über das Meer.
»Es hat keinen Sinn, England erspähen zu wollen. Dafür ist es doch ein wenig zu weit«, sagte jemand neben ihm auf Deutsch.
Jasten drehte sich um und sah einen Mann mittleren Alters hinter sich stehen, der in einem zu engen T-Shirt mit dem Aufdruck Oostende und einer Art Jogginghose steckte. Der Mann konnte ein Tourist sein, aber auch ein Lkw-Fahrer, der auf die Fähre nach Dover wartete. Jasten lachte nur, warf die Reste seiner Mahlzeit in einen Abfallkorb und ging weiter.
Der an sich harmlose Zwischenfall ging ihm jedoch nach, und er fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, nachts in den Hafen einzudringen und die Bombe unten am Rumpf des Bootes zu befestigen.
Allerdings hätte ein Taucher im Hafenbecken, der durch Zufall entdeckt wurde, mehr Aufsehen erregt als ein harmloser Tourist, der sich ein Segelboot näher ansehen wollte.
Trotzdem war ihm die Begegnung mit dem Deutschen Warnung genug. Er mied die Lokale an der Strandpromenade und durchquerte die Innenstadt, um auf einem anderen Weg zum Yachthafen zurückzugelangen.
Dort lehnte er sich an das Geländer und tat so, als sähe er sich die Mercator an, äugte dabei aber immer wieder zu van Houdebrincks Boot hinüber. Dort war alles ruhig. Auch auf den restlichen Booten waren jetzt um die Mittagszeit kaum noch Menschen zu sehen.
Mit einem Ruck stieß Jasten sich vom Geländer ab und ging weiter. Eine bessere Gelegenheit als jetzt würde nicht mehr kommen. Mit forschem Schritt, als gehöre er dazu, betrat er den Steg, schloss die Tür mit dem Schlüssel auf, den Zwengel ihm hatte besorgen müssen, und wandte sich van Houdebrincks Boot zu. Obwohl sein ganzer Nacken kribbelte, machte
er nicht den Fehler, sich umzusehen, ob ihn jemand beobachtete. Jeder, der ihn sah, musste den Eindruck gewinnen, er gehöre zur Crew.
Auf dem Boot angelangt, kniete er sich neben der Tür hin, die in die Kabine führte. Um sie zu öffnen, hätte er besseres Einbruchswerkzeug und vor allem mehr Zeit gebraucht.
Dann aber wurde sein Blick von dem Abfalleimer angezogen, der sich direkt neben der Tür befand. Der Mann, der vorhin hier gewesen war, hatte diesen geöffnet und das Schloss des Deckels nur eingehakt, aber nicht wieder einschnappen lassen. Gespannt öffnete Jasten den Deckel. Wie es aussah, hatte der Mann eine Tüte Fritten mitgebracht, diese hier gegessen und das Papier in den Abfalleimer geworfen. Da er nicht annahm, dass der Abfalleimer vor dem Start der Regatta noch einmal geleert werden würde, zog Jasten die Gummimatte aus dem Rucksacknetz, wickelte die Bombe aus und deponierte sie in dem Blechbehälter. Die fettige Frittentüte legte er als Tarnung darüber.
Dann stopfte er die Matte wieder in das Netz und tat so, als komme er aus der Kabine. Er betrat den Steg und schritt gemütlich davon. Allerdings kehrte er nicht zum Parkplatz zurück, sondern nahm sein Mobiltelefon und rief Rechmann an. Dieser meldete sich sofort. »Hallo! Bist du’s?«
»Wer soll ich sonst sein? Das Ei ist im Nest. Sonst wie gehabt. « Jasten beendete das Gespräch, tippte eine Nummernkombination und schickte diese weg. Nun war der Funkzünder der Bombe scharf geschaltet, und er durfte auf keinen Fall den Auslöser drücken.
Als Rechmann einige Zeit später seinen Kumpan auf einer Ausfallstraße einholte und ins Auto einsteigen ließ, hatte Jasten seine Jacke gewendet. Statt in schlichtem Blau leuchtete sie jetzt in grellem Orange, und auch sein Rucksack war verändert. Das Papier, mit dem er ihn
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