Die geheime Waffe
schien, nämlich »unmöglich«.
Mit grimmiger Miene schlüpfte sie in das Oberteil ihres Trikots und zerrte so lange an den Ärmeln, bis sie richtig saßen. »Eigentlich hätte Major Wagner meine Konfektionsgröße kennen müssen«, schimpfte sie, weil das Trikot so eng saß, dass sich der Klettverschluss nicht über der Brust schließen ließ.
»Lassen Sie mich mal ran«, sagte Torsten und zog so kräftig, dass die Ränder weit genug überlappten. »Die Größe stimmt schon. Nur ist das Trikot für einen Mann gemacht. Seien Sie froh, dass Sie keinen üppigen Busen haben! Sonst müssten Sie hierbleiben und auf mich warten.«
»Wenn Major Wagner nicht darauf bestanden hätte, dass ich mitkommen soll, hätten Sie mich sowieso hier zurückgelassen! «
Torsten entgegnete nichts, sondern kontrollierte noch einmal den Sitz ihres Trikots und fand, dass sie trotz des beengenden Oberteils darin weiblicher aussah als in T-Shirt und Jeans. Verwundert, weil er ausgerechnet in dieser Situation auf so etwas achtete, reichte er ihr die Pistole. »Hier! Da Sie noch kein Schulterhalfter haben, werden Sie sie in Ihre Beintasche stecken müssen. Ziehen Sie normale Kleidung darüber, dann können wir aufbrechen.«
Henriette beobachtete, wie sich Renks Gesicht mit einem
Mal veränderte. Der mürrische Zug um seinen Mund schwand, die hellen Augen glänzten, und um die Mundwinkel lag ein Lächeln, als wäre das, was vor ihnen lag, ein fröhliches Spiel. Dennoch wirkte er hochkonzentriert. Sie hingegen war so nervös, dass es ihr kaum gelang, sich die Röhre ihrer Jeans über das linke Bein zu ziehen. Reiß dich zusammen, Mädchen, befahl sie sich. Du hast einen Mann neben dir, der in etlichen europäischen Ländern Orden erhalten hat. Renk weiß, was er tut. Er wird keine Fehler machen, und du darfst das auch nicht.
Seufzend schloss sie ihre Hose, doch statt sogleich aufzubrechen, öffnete sie zunächst die Mineralwasserflasche und trank sie in einem Zug leer.
»Wehe, wenn Sie unterwegs Pipi machen müssen«, drohte Renk und schulterte seine Reisetasche.
Bei diesen Worten musste Henriette kichern, und als sie auf die Tür zuging, diese vorsichtig öffnete und horchte, ob sie Frau Leclercs Schritte auf den knarrenden Dielen vernahm, spürte sie, dass seine Bemerkung ihre größte Unsicherheit vertrieben hatte.
ZWEI
H enriette und Torsten verließen das Haus, ohne Frau Leclerc zu begegnen und ihr erklären zu müssen, warum sie sich zu nächtlicher Stunde mit einer Reisetasche auf den Weg machten. Während sie in Richtung Villa gingen, hingen sie stumm ihren Gedanken nach. Henriette versuchte der Angst Herr zu werden, einen Fehler zu machen und damit die ganze Aktion zu gefährden. Torsten hingegen überlegte, wie er an einen Beweis für Sedersens Schuld gelangen konnte.
Schon kurz darauf mussten sie darauf achten, nicht in den Bereich der Suchscheinwerfer zu geraten, mit denen Sedersen
den Gebäudekomplex und einen Teil des Flughafens ausleuchten ließ. Nach einem Zickzackkurs mit mehreren Zwischenspurts erreichten sie unbemerkt die Umfassungsmauer, die den Stützpunkt der Freischärler umgab. Torsten machte ein Zeichen, als wolle er neue Anweisungen geben. Da hörten sie jenseits der Mauer Schritte.
»Vorsicht!«, raunte er Henriette zu. »Unsere Freunde machen Rundgänge. Wir müssen herausfinden, in welchem Abstand sie wiederkommen.«
Da er kein Risiko eingehen durfte, bedeutete dies, notfalls stundenlang an dieser Stelle zu verharren. So weit kam es aber nicht, denn sie fanden rasch heraus, dass die Wachen ihre Rundgänge im Halbstundenrhythmus durchführten.
Kaum hatten die Freischärler zum zweiten Mal ihren Standort passiert, versetzte Torsten seiner Begleiterin einen aufmunternden Klaps.
»Auf geht’s!« Rasch schlüpfte er aus T-Shirt und Jeans und stand im schwarzen Trikot vor ihr. Jetzt zog er die Kapuze über und schwärzte sich das Gesicht. Für ein paar Sekunden sah Henriette seine Augen im Widerschein des Flutlichts hell aufleuchten. Dann setzte er die Nachtsichtbrille auf und begann, ihre Ausrüstung auszupacken.
Erst jetzt wurde Henriette bewusst, dass sie noch immer wie erstarrt dastand. Nach einem tiefen Durchatmen entledigte auch sie sich ihrer Alltagskleidung, legte diese zusammen und reichte sie Torsten. Er verstaute sie mit seinen eigenen Sachen in der Reisetasche und versteckte diese unter einem Busch etwa zwanzig Meter von der Mauer entfernt. Als er zurückkehrte, reichte er seiner Begleiterin vier
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