Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë
diesem Zustand durch ganz Wales und Dublin geschleift hast?«
»Meine Erkältung ist erst in den letzten ein, zwei Tagen so schlimm geworden«, erwiderte ich rasch. »Arthur hat sehr fürsorglich über mich gewacht und immer darauf geachtet, dass ich mich oft ausruhe, obwohl ich das viel lieber nicht getan hätte.«
»Nun! Jetzt sehen Sie sehr erschöpft aus«, erklärte Mrs. Bell, kam zu mir herüber und bot mir ihren Arm an. »Wir müssen Sie unverzüglich ins Bett schaffen und Ihnen eine schöne, heiße Suppe einflößen. Maureen!«
Eine Bedienstete mit rosigen Wangen erschien. »Jawohl, Madam?«
»Sag der Köchin, sie soll etwas von der Brühe aufwärmen, die sie gekocht hat, und sie unserem Gast im grünen Zimmer bringen. Und sag Agnes, dass ich sie brauche.«
»Jawohl, Madam«, antwortete die Bedienstete und eilte davon.
Ehe ich mich versah, hatte mich besagte Agnes, eine tüchtig wirkende Magd von etwa fünfzig Jahren, schon ausgezogen, und ich lag in einem großen, weichen Bett in einem Zimmer, das wohl dreimal so groß war wie unser Salon im Pfarrhaus. Ein Torffeuer brannte hell in dem weiten, alten Kamin undverlieh der uralten, aber gemütlichen Einrichtung etwas Fröhliches. Die rosige Magd brachte mir ein Tablett mit heißer Suppe und verschwand.
Ich hatte kaum drei Löffel gegessen, als Arthur erschien, mit unsicheren Schritten zum Bett kam und sich besorgt erkundigte, ob er irgendetwas für mich tun könne.
Ich schaute zu ihm auf, und mein Herz floss über von allem, was ich ihm sagen wollte. Aber als ich gerade den Mund öffnen wollte, schritt Mrs. Bell ins Zimmer und sagte in bestimmtem Ton: »Arthur, du kannst deine Frau getrost mir überlassen.« Sie ließ sich auf dem mit Gobelinstickerei verzierten Stuhl neben dem Bett nieder und goss etwas aus einer Arzneiflasche auf einen Löffel. »Ich habe in diesem Haushalt schon Hunderte von Erkältungen behandelt, und daran ist bisher noch keiner gestorben. Ein Krankenbett ist nicht der richtige Platz für einen frischgebackenen Ehemann. Geh und unterhalte dich mit deinen Vettern und Cousinen.«
Arthur erwiderte zögernd: »Wenn du darauf bestehst, Tante.« Er beugte sich über mich und küsste mich zart auf die Stirn. »Es tut mir so leid, dass du krank bist, Charlotte. Aber ich kann es nur bestätigen, du bist in besten Händen. Es gibt im ganzen Königreich keine bessere Krankenschwester als meine Tante, das ist so.«
»Arthur«, hob ich an und streckte meine Hand aus, um die seine zu ergreifen, aber ein heftiger Husten hinderte mich daran.
»Still. Ruhe dich aus, meine Liebe, damit es dir bald wieder besser geht«, sagte er und schritt zur Tür.
Ich weiß nicht, welche Arznei mir Mrs. Bell verabreichte, aber nachdem ich meine Suppe aufgegessen hatte, schlief ich bis zum Abendessen und danach tief und fest bis zum nächsten Morgen.
VIERUNDZWANZIG
Ich wachte auf und stellte fest, dass der Sonnenschein zwischen den Vorhängen hindurchschimmerte. Das eingedrückte Kissen und die zerwühlten Laken und Decken neben mir bewiesen, dass mein Mann tatsächlich das Bett mit mir geteilt hatte und dann wieder fortgegangen war, ohne mich zu stören. Dann hörte ich ein leises Klopfen an der Tür.
»Herein«, sagte ich und hoffte, es wäre Arthur. Aber es war Agnes, die Bedienstete, die mir am Vorabend ins Bett geholfen hatte.
»Ah! Gut, Sie sind wach«, sagte Agnes und kam mit einem Tablett ins Zimmer. Sie war klein und gedrungen, hatte das graue Haar ordentlich unter ihre Haube gesteckt und hatte ein angenehmes, von Falten durchzogenes Gesicht und einen starken irischen Akzent. »Die Herrin hat mir aufgetragen, Ihnen das Frühstück zu bringen.« Sie setzte das Tablett ab und zog mit Schwung die Vorhänge auf. Die Sonne flutete durch die hohen Fenster herein, die einen herrlichen Blick auf den üppig grünen Park boten. »Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen, Mrs. Nicholls?«
»Ja, danke, Agnes.«
»Und wie geht’s Ihnen heute früh?«
»Ein bisschen besser«, antwortete ich, aber dann schüttelte mich ein heftiger Hustenanfall.
»Nun, Sie haben jedenfalls ein bisschen mehr Farbe auf den Wangen heute Morgen als gestern bei der Ankunft. Das ist ein gutes Zeichen, jawohl. Die Herrin sagt immer, nichts geht über einen guten Schlaf und einen Tag Bettruhe, das heilt alles, und ich bin ganz ihrer Meinung. Ich habe Ihnen Porridgeund Tee gebracht und ein bisschen Toast. Möchten Sie etwas essen?«
»Ein wenig, ja, danke. Agnes, haben Sie meinen Mann
Weitere Kostenlose Bücher