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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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Augenblick ergab, oft erst spät in der Nacht, wenn Arthur schlief.
    Arthur erprobte nun seine Predigten an mir, holte meine Meinung ein, ehe er sie vor der Gemeinde hielt. In seiner neuen, wohlwollenden Stimmung waren seine Predigten oft freundlich und erbaulich und rührten die besten Saiten in den Menschen an. Wenn er mir jedoch etwas vortrug, das mir geringere Maßstäbe zu erfüllen schien, so zögerte ich nicht, ihm meine Enttäuschung kundzutun – und oft wurden Verbesserungen in der gleichen wohlwollenden Stimmung vorgenommen.
    Während ich mich in mein neues Leben eingewöhnte, wurde der Sommer vom Herbst abgelöst, und der Herbst ging in den Winter über. Arthur und ich fuhren nach Bradford und ließen mit einem neuen Verfahren namens Photographie unsere Porträts aufnehmen. Es war seltsam und wunderbar, die fertigen Bilder zu sehen. Ich war nicht sonderlich begeistert von meinem, aber Arthur gefiel es, und ich fand, dass Arthur auf seinem besonders gut aussah, wie er da mit einem Leuchten in den Augen und einem zufriedenen kleinen Lächeln zur Seite blickte.
    Mein Vater, Gott segne ihn, erfreute sich weiterhin guter Gesundheit; er würde, so hoffte ich, noch viele Jahre bei uns bleiben. Arthur und Papa schienen, was einst so unvorstellbar war, für alle Zeit versöhnt. Es war eine ständige Quelle des Glücks für mich, zu sehen, wie gut sich die beiden Männer verstanden. Niemals gab es auch nur ein Missverständnis oder ein böses Wort zwischen ihnen. Jedes Mal, wenn ich sah, wie Arthur seinen Talar oder sein Chorhemd anzog und einen Gottesdienst abhielt oder eine heilige Handlung vornahm, empfand ich das als großen Trost, weil ich wusste, dass meine Heirat, wie ich es erhofft hatte, Papa in seinem Alter eine gute Stütze verschafft hatte.
    Arthur und ich kamen einander mit jedem Tag näher und wurden einander vertrauter. Immer gab es noch eine neue Marotte oder Eigenart am anderen zu entdecken, über sie zu lachen, sich an sie zu gewöhnen. Fehlerlos war mein neuer Ehemann keineswegs; kein Mensch ist das, und auch ich bin da sicherlich keine Ausnahme. Aber keiner von uns beiden erwartete vom anderen Vollkommenheit. Wir lernten, die Gewohnheiten und Facetten des anderen zu tolerieren, die nicht genau unseren Erwartungen entsprachen, und diejenigen wertzuschätzen, die dies taten, und alles dazwischen mitguter Laune und Humor zu betrachten. Zwischen uns gab es keine lästige Zurückhaltung. Wir gingen völlig offen miteinander um, weil wir einfach gut zueinander passten.
    Eines Tages blätterte ich in
Jane Eyre
und fand den folgenden Abschnitt. Tränen traten mir in die Augen, als ich ihn las. Denn als ich ihn damals schrieb, waren die Worte lediglich ein Ausdruck meiner Sehnsucht nach einem idealisierten Zustand ehelichen Glücks, das – bis zu jenem Zeitpunkt – nur in meiner Phantasie bestanden hatte:
    »Ich weiß, was es heißt, ganz für das und mit dem zu leben, was man auf dieser Welt am liebsten hat. Ich halte mich für außerordentlich glücklich – glücklicher als Worte es beschreiben können, weil ich meinem Gatten ebenso teuer bin, ebenso unentbehrlich, wie er es mir ist. Keine Frau stand ihrem Gatten jemals näher als ich dem meinen: Ich bin Blut von seinem Blute, Fleisch von seinem Fleisch. Edwards Gesellschaft ermüdet mich niemals; er ist keine Stunde ohne mich; der Pulsschlag seines Herzens ist der meine, mein Pulsschlag der seine. Beieinandersein bedeutet für uns, so froh zu sein wie in großer Gesellschaft und so frei zu sein wie in absoluter Einsamkeit. Ich glaube, wir sprechen den ganzen Tag miteinander, denn zu reden ist nur eine hörbare und lebhaftere Art des Denkens. Er besitzt mein ganzes Vertrauen und er hat mir vollständig das seine geschenkt. Da unsere Charaktere in jeder Beziehung zueinander passen, ist das Resultat eine vollkommene Übereinstimmung.« 1
     
    Diese Worte, die ich vor so vielen Jahren aus der Tiefe eines einsamen und sehnsuchtsvollen Herzens heraus geschrieben hatte, waren nun eine vollkommene Spiegelung des wunderbaren neuen Lebens, das ich mit meinem Arthur führte. MeinGatte war so gut, so zärtlich, so liebevoll und treu; unsere Herzen waren in Liebe zusammengeführt 2 .
     
    An einem Abend im November, als Arthur und ich behaglich am Feuer im Esszimmer saßen und den Wind rings ums Haus heulen hörten, wanderten meine Gedanken zurück zu einem ähnlichen Novemberabend vor einem Jahr. Als ich mein Stricken unterbrach, wurde mir klar, dass mir in

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