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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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unter seiner Würde wäre, ihn auch nur zu betreten. Das ärgerte mich. »Es tut mir leid, aber im Esszimmer ist kein Feuer angezündet«, antwortete ich gereizt, »sonst hätte ich Ihnen das angeboten. Doch in der Küche ist es sehr warm und gemütlich. Sie könnten sich gern dort einige Minuten aufwärmen und trocknen, von niemandem gestört, außer mir und unserer Bediensteten, ehe ich Sie dann zu meinem Vater ins Studierzimmer bringe.«
    »Ich möchte Ihren Vater lieber jetzt gleich sprechen, wenn ich darf«, erwiderte er rasch. »Er hat doch sicherlich ein Feuer im Kamin. Für ein Handtuch wäre ich allerdings dankbar.«
    Nun, überlegte ich, während ich mich aufmachte, um das Gewünschte zu holen, da hätten wir einmal einen sehr eingebildeten, arroganten Iren. Unser früherer Hilfspfarrer, der zutiefst verachtete Reverend Smith, schien mir im Vergleich dazu nun ein rechter Hauptgewinn gewesen zu sein. Wenige Augenblicke später kehrte ich mit einem Handtuch zurück. Mr. Nicholls wischte sich wortlos die Nässe aus den Haaren und von der Stirn und benutzte das Handtuch dann, um seine Schuhe zu reinigen; schließlich reichte er mir den verschmutzen Lappen zurück.
    Bestrebt, ihn so schnell wie möglich loszuwerden, ging ich zur Tür von Papas Studierzimmer und sagte: »Da ich in letzter Zeit die Korrespondenz meines Vaters führe, denke ich, dass ich Sie vorgewarnt habe: das Augenlicht meines Vaters ist stark beeinträchtigt. Er wird Sie sehen können, nimmt Sie aber nur verschwommen wahr. Die Ärzte sagen, dass er eines Tages völlig erblinden wird.«
    Mr. Nicholls’ einzige Reaktion war ein ernstes Nicken, begleitet von den Worten: »Ja, ich erinnere mich.«
    Ich klopfte an die Tür des Studierzimmers, wartete Papas Antwort ab, öffnete dann die Tür und meldete Mr. Nicholls. Papa stand von seinem Sessel am Kamin auf und begrüßte den Neuankömmling mit einem überraschten Lächeln. Papa war ein hoch aufgeschossener, schlanker, aber kräftiger Mann; das Alter hatte sein einstmals attraktives Gesicht mit Falten überzogen. Er trug eine Nickelbrille, die meiner eigenen nicht unähnlich war, sowie sieben Tage die Woche seine schwarze Amtskleidung. Sein Haarschopf hatte die gleiche Farbe wie sein großes schneeweißes Halstuch, das er sich immer in so üppigen Falten umband (um sich gegen Erkältungen zu schützen), dass sein Kinn völlig darin verschwand.
    Mr. Nicholls durchquerte den Raum und schüttelte Papa die Hand. Ich ließ die beiden allein und eilte nach oben, um mein Äußeres in Ordnung zu bringen, noch immer beschämt, dass ich einen Fremden in einem solchen Aufzug empfangen hatte. Ich nahm das Kopftuch ab, überzeugte mich, dass mein braunes Haar ordentlich gekämmt und aufgesteckt war. Ich zog mir ein sauberes silbergraues Kleid an – aus Seide natürlich. (Seit wir in Haworth lebten, hatte Papa für so viele Kinder Trauergottesdienste abhalten müssen, deren Kleidung Feuer gefangen hatte, weil sie zu nah an den Kamin getreten waren, dass er Baumwolle und Leinen vermied und darauf bestand, wir sollten nur Wolle oder Seide tragen, Stoffe, die weniger leicht entflammen.) Frisch in meine Quäkergewänder gehüllt, fühlte ich mich etwas wohler und entspannter. Mir fehlen vielleicht, dachte ich mir, die Vorzüge persönlicher Schönheit, aber zumindest würde ich mich nicht mehr durch meinen Aufzug vor unserem Besucher in Verlegenheit bringen.
    Emily war inzwischen wieder in der Küche bei der Arbeit, als ich zurückkehrte. Ich spielte ihr und Tabby die kleine Szene vor, die sich an der Haustür zugetragen hatte. »In der Küche?«, sagte ich und versuchte, den verächtlichen Tonfall von Mr. Nicholls nachzuahmen. »Nein danke.« Als würde er sich nie im Leben herablassen, auch nur einen Fuß in einen Raum zu setzen, der gewöhnlich von Frauen bevölkert ist.
    Emily lachte.
    »Das klingt, als wäre er recht ungehobelt«, meinte Tabby.
    »Wir wollen hoffen, dass es eine kurze Unterredung ist und wir den Herrn bald von hinten sehen«, sagte ich.
    Als ich mich mit dem Teetablett zum Studierzimmer aufmachte, konnte ich durch die angelehnte Tür die tiefen Stimmen zweier Iren hören, die sich miteinander unterhielten. Papa hatte seit dem Tag, an dem er sein Studium begann, versucht, seinen Akzent abzulegen, hatte aber seinen irischen Tonfall nie verloren und ihn an all seine Nachkommen weitergegeben, mich eingeschlossen. Die beiden Männer sprachen höchst angeregt; ab und zu war herzliches Lachen zu

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