Die Geheimnisse der Therapeuten
Hund ihr gegenüber nicht mehr aggressiv war.
Warum war der Hund aggressiv gegenüber seinem Frauchen? War er ihr Spiegel? Drückte er die â möglicherweise unbewusste â Gereiztheit aus, die die Frau empfand, weil sie nur durch und für ihren Partner lebte, in diesem Fall den Hund? Nachdem sie begriffen hatte, dass das Leben nicht nur darin bestand, mit dem Hund und für ihn zu leben, sondern auch etwas für sich selbst und manchmal ohne ihn zu tun, auch wenn sie diesen Freund auf vier Pfoten sehr liebte, verschwand ihre Gereiztheit gegenüber Macho und entsprechend auch die des Hundes gegen sie.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass der Hund krank ist
Bei einem Hund, der einem jungen Paar gehörte, diagnostizierte ich eine hyperaktive Störung. Die Behandlung war erfolgreich, und dem Hund ging es sehr schnell besser. Nach einigen Monaten konsultierte mich der Besitzer, um Bilanz zu ziehen. Im Laufe der Konsultation fragte er mich, ob der Hund unter einer Trennung leiden würde. Nachdem es dem Hund besser ging, hatten er und seine Frau sich nämlich getrennt. Sie hatten vor, sich scheiden zu lassen. »Glauben Sie, dass wir uns das Sorgerecht für den Hund teilen können? Ich meine, ist das zum Wohl des Hundes?«, fragte er mich. Diese Frage konnte ich bejahen. Ein Hund hat nicht nur einen Herrn. Im Ãbrigen wäre es gut aufzuhören, in Kategorien von Herr und Untergebener (sprich Sklave) zu denken. Ein Hund kann mehrere Bezugspersonen haben und an mehrere Menschen gebunden sein, die ihn leiten.
Aber die Scheidung machte mich betroffen. Inwieweit war ich verantwortlich für die Trennung des Paares? Diese Geschichte war für mich der Anfang eines groÃen Abenteuers: Ich stellte einen Antrag auf eine Ausbildung in systemischer Intervention und Familientherapie, und nach einem Vorstellungsgespräch und, wie es scheint, zahlreichen Diskussionen zwischen den Ausbildern und der Leitung wurde ich angenommen. Als einziger Tierarzt unter Psychiatern, Psychologen, Krankenschwestern und Sozialarbeitern galt ich eine Zeitlang als AuÃenseiter, bis ich als gleichwertiger Student akzeptiert wurde. Allerdings durfte ich die universitäre Ausbildung nicht mit einem Diplom abschlieÃen. Nach einem dreijährigen Studium bekam ich eine Teilnahmebescheinigung. Das Diplom interessierte mich nicht, ich hatte eine Ausbildung bekommen und etwas gelernt: Was es bisweilen Menschen erlaubt, zusammenzuleben, und dem System erlaubt, im Gleichgewicht zu bleiben, ist eine Ãbereinkunft nach folgendem Muster: »Wir sind uns einig, dass der Hund/das Kind krank ist.« Und wenn der Hund nicht mehr krank ist, dann bricht die einzige Ãbereinkunft zusammen, und die Beteiligten sehen sich einer Leere oder einer so groÃen Anzahl von Meinungsverschiedenheiten gegenüber, dass die Bestandteile des Systems von nichts mehr zusammengehalten werden. Dann ist eine Scheidung die Folge. War ich also dafür verantwortlich? Ja, im Sinne des Schmetterlingseffekts oder der Chaostheorie: Ein kleiner Einfluss kann groÃe Auswirkungen haben. Aber das wird mir von jetzt an dennoch nicht den Schlaf rauben.
Der Weg eines Psychologen im SchoÃe einer nichtexakten Wissenschaft 47
47 Abraham A. Moles: Les Sciences de lâimprécis. Seuil, Paris 1995.
Eine Prise »Behaviorismus«
Nach der Ausbildung in systemischer Intervention und Familientherapie war ich nicht mehr derselbe Therapeut und übrigens auch nicht mehr derselbe Mensch â auch wenn ich es erst Jahre später merkte. Man ist wirklich das, was man denkt. Es ist unglaublich, wenn man sich klarmacht, dass das, was man denkt â die eigene Weltsicht â, definiert, wer man ist, und von da aus die Strategien der Problemlösung bestimmt, die man seinen Patienten und Klienten vorschlägt.
Als ich 1979 die Universität verlieÃ, hatte ich keine Kenntnisse vom Verhalten der Tiere. Aber ich hatte mich parallel mit Homöopathie beschäftigt, die eine holistische Medizin ist. Um eine individuelle Behandlung zu finden, stützt sie sich auf das, was das Persönlichste am Patienten ist: darauf, wie er seine Krankheit individuell ausdrückt. Und wir sprechen hier nicht nur vom körperlichen Ausdruck der Symptome, sondern vor allem von ihrem psychologischen Ausdruck. Ich wollte deshalb mehr über Tierverhalten wissen und verschlang Bücher über Verhaltensforschung, unter anderem jene von Konrad
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