Die Geheimnisse der Therapeuten
Zustimmung treffen, während sie gleichzeitig für das Tier und das Familiensystem effiziente Lösungen bieten.
58 William R. Miller und Stephen Rollnick: Motivational Interviewing. Guilford Publ., New York 1991.
Das Modell des Spiegels
Der Spiegel wirft das Bild einer bestimmten Realität zurück; er ist eine Art Denkmodell. Meine Hypothese 59 lautet, dass das Haustier, das mit uns zusammenlebt, ein Bild von uns Menschen spiegelt, sowohl als Gattung als auch als Individuum. Dieses Modell verwende ich, wenn ich mit Menschen zu tun habe, die ein persönliches Coaching (in Richtung Wohlbefinden oder Weiterentwicklung) mit dem Tier als Vermittlungsinstanz wünschen. Das Tier ist Träger von Informationen, die zum Nachdenken über uns selbst und zum besseren eigenen Verständnis anregen.
59 Joël Dehasse: »Le chien conscience«, in Tout sur la psychologie du chien, Odile Jacob, Paris 2009, S. 413-421.
Der Hund, die Gesellschaft und die Machthierarchie
Das Modell des Spiegels ist sowohl auf der individuellen wie auch der kollektiven Ebene interessant. Was kann uns der Hund über den Menschen und das Menschsein mitteilen â zumindest in unserer Kultur?
Vor einigen tausend Jahren durchliefen bestimmte Wölfe Mutationen, durch die sie weniger ängstlich gegenüber dem Menschen wurden. Sie fanden es bequemer, sich von menschlichen Abfällen zu ernähren. So besiedelten sie einen neuen Lebensraum, von dem sie abhängig wurden. 60 Sie tauschten ihre Selbstbestimmung gegen Sicherheit ein. Der Mensch selektierte anschlieÃend die (psychisch und ökonomisch) abhängigsten Hunde und vergröÃerte ebenfalls (mithilfe der Selektion) dabei auch bestimmte Verhaltenseigenschaften (motorische Muster, bei denen es sich um genetisch programmierte intrinsische Verhaltensabfolgen handelt, die durch Lernen wenig modifizierbar sind), um sich den Hund zu seinem Vergnügen gefügig zu machen, oft auf Kosten des physiologischen Gleichgewichts des Tieres.
60 Raymond und Lorna Coppinger: Dogs. A New Understanding of Canine Origin, Behavior and Evolution. The University of Chicago Press, Chicago 2001.
Ein Eingriff in das physiologische Gleichgewicht des Tieres
Die Züchtung von Jagd- und Schäferhunden, die ein angeborenes (genetisches) Bedürfnis haben, sich mehr als zehn Stunden am Tag zu bewegen und aktiv zu sein, ist ein Problem für den Energiehaushalt des Tieres. In der Natur kommt es nie zur Selektion eines Verhaltens, das viel Energie kostet. Der Energieaufwand muss durch einen höheren Ertrag kompensiert sein. Anders gesagt: Ein Wolf wird nicht drei Stunden lang eine Maus jagen, aber ein Hund könnte das durchaus tun. Sein Energieverlust kann nur durch energiereiche Nahrung ausgeglichen werden, die er vom Menschen (kostenlos) erhält, was den Hund vom Menschen ökonomisch abhängig macht.
Was lehrt uns das über die Gattung Mensch? Worin besteht der Spiegel der Abhängigkeit und des Verlustes der Selbstverwirklichung? Er zeigt sich beim Menschen gegenüber der Gesellschaft.
Die Gesellschaft organisiert eine Gruppe von Individuen. Sie definiert, was annehmbar und was unannehmbar ist, sie gibt ihren Mitgliedern Sicherheit und erlaubt ihnen, sich in einem bestimmten Rahmen zu entwickeln. Die Gesellschaft ist ein virtuelles Wesen, das einen bestimmten Gleichgewichtszustand hat und überleben will, manchmal auf Kosten ihrer Mitglieder. Die westliche Gesellschaft â unsere Gesellschaft â hat Macht über uns errungen. Sie hat eine repressive Tendenz und entmutigt eher die persönliche Initiative, die Entwicklung und die Kreativität von Individuen oder die Selbstverwirklichung. Sie ist moralistisch; sie definiert, was für das persönliche Ãberleben akzeptabel ist.
Das systemische Modell bestätigt uns, dass die Gesellschaft ein eigenständiges, wenn auch virtuelles Wesen ist. Das behavioristische Modell zeigt uns, dass sie eher das System der positiven und negativen Strafe (der vielen Verbote) als der positiven oder negativen Verstärkung benutzt. Die Spieltheorie beweist uns, dass die Gesellschaft auf der Gewinner- und ihre Mitglieder auf der Verliererseite stehen, selbst wenn man sie glauben lässt, dass sie gewinnen. Tatsächlich gewinnt der westliche Mensch an Sicherheit hinzu, was er an Initiative und Selbstbestimmung verliert. Dem psychiatrischen Modell zufolge ist das Blockieren der Initiative und
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