Die Geheimnisse der Therapeuten
auszukommen
In meiner Zeit als Assistenzarzt verhielt ich mich in Beziehungen unbeholfen und ungeschickt, was einer der Gründe dafür war, dass mir die Tür zu einer möglichen Universitätskarriere verschlossen blieb. An diesen oder jenen Kollegen eine kritische Bemerkung zu richten brachte mich in eine ungeheure Verlegenheit, während ich zwischen der Angst, ihn zu verletzen, und der Frustration, nichts zu sagen, schwankte. Eine persönliche Bitte vorzubringen war mir unmöglich, weil ich nicht wusste, wie, und weil mich meine eigenen Regeln der Unterordnung fesselten.
Ich werde mich mein Leben lang an meine erste Kommunikationsübung in einem Rollenspiel erinnern, die in einer Ausbildungsgruppe in Selbstbehauptung stattfand. Während ich darauf wartete, dass ich an die Reihe kam, meldeten sich meine perfektionistischen und selbstkritischen Gedanken im Hinterkopf und verzehnfachten sich durch die Aussicht, von den anderen Studenten beurteilt zu werden. Ich trieb buchstäblich in einem lähmenden Angstnebel, der alles, was geschah, seltsam färbte. Ich erinnere mich überhaupt nicht mehr an die eigentliche Ãbung, sondern nur noch an meinen Zustand, der glücklicherweise durch die unterstützenden und konstruktiven Kommentare meiner Kollegen und meines Lehrers Yvan Note aufgefangen wurde. Das Training in Selbstbehauptungstechniken war ein heilsamer Schlüssel, der mir half, meine Beziehungsprobleme abzubauen und zunehmend gelassener zu werden. Ich fand darin einen konkreten Leitfaden, der meinen Werten entsprach: die Wahrung meiner Rechte unter gleichzeitiger Achtung der Rechte anderer. Das ist nur möglich, wenn man über sich selbst hinauswächst.
Sich den Ãngsten stellen
Als junger unerfahrener Vater setzte ich unseren ältesten Sohn vor eine denkbar harmlose Videokassette mit Walt Disneys Kurzfilm Das hässliche kleine Entlein . Sie kennen die Geschichte sicher. Je heftiger die Szenen der Ablehnung und des Leidens wurden, die der kleine Schwan durchmachte, der zufällig in eine Entenfamilie geraten war, desto mehr geriet mein Sohn auÃer Fassung, er wurde bleich und brach in Tränen aus. Entsetzt und von Schuldgefühlen gepeinigt, eilte ich rasch hinzu, um ihn in die Arme zu nehmen und seinem herzzerreiÃenden Schluchzen ein Ende zu machen. Wie groà war mein Erstaunen, als er zwischen zwei Schluchzern hervorstieÃ: »Noch einmal, noch einmal!« Und so stimmten meine Frau und ich uns ab und lieÃen ihn fünf oder sechs Mal nacheinander den für ihn so problematischen Kurzfilm sehen, bis er sich wieder beruhigt hatte. Im Psychologenjargon würde man sagen: »Eine Reduktion des emotionalen Schocks durch Gewöhnung und Verarbeitung der gewalttätigen Szenen und ihres glücklichen Ausgangs.«
Persönliche Desensibilisierung
Das überzeugendste Beispiel für die Ãberwindung meiner Angst, vor anderen zu sprechen, bekam ich einige Jahre später, als ich mich immer wieder mit der gleichen bedrohlichen Situation konfrontierte. Ich sollte die wissenschaftlichen Regionaltagungen unseres Psychotherapeutenverbands im Jahre 2000 in Montpellier eröffnen und zitterte bei dem Gedanken daran schon zwei Jahre im Voraus. In den 24 Monaten bis dahin meldete ich mich für acht mündliche Vorträge bei Kongressen und untersuchte dabei aufmerksam meine Gedanken und mentalen Bilder vor, während und nach jedem Vortrag sowie die Entwicklung meines Verhaltens, wenn ich das Wort ergriff. Ich ging allmählich vom schüchternen Ablesen meines Textes zu einer ans Publikum gewandten und interaktiven Kommunikation über, in die ich meine Emotionalität sanft mit einflieÃen lieÃ. Volltreffer! Ich erlebte die Freude am Austausch und an meinen Fähigkeiten auf diesem Gebiet. Inzwischen habe ich jede Woche mit Menschen zu tun â in Form von Gruppenleitung, Unterricht oder Vorträgen â und erlebe darin eine groÃe Chance der Selbstverwirklichung. AuÃerdem bin ich sehr engagiert in der Therapie der sozialen Angst, da ich sie am eigenen Leib gespürt habe.
Strukturierte Techniken und mehr
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar
Meine Frau und ich lieben den Kleinen Prinzen wegen der poetischen Leichtigkeit, mit der er fundamentale Botschaften des Lebens durch den Blick eines aristokratischen und zarten Kindes vermittelt. »Eine seltsam zarte Stimme weckte mich auf. Sie sagte: âºBitte
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