Die Geheimnisse der Therapeuten
Schuljahresbeginn.
Der Kreislauf des Vermeidens
Vermeidungsverhalten ist nicht verhängnisvoll an sich. Erst wenn es zur einzigen Art wird, wie wir in Beziehung zur Welt treten, wenn es stereotyp und automatisch geschieht, wird es zu einem wirklichen Problem. Mit allen Mitteln kämpfen, um sich nie an einen Unfall, einen Trauerfall, eine Aggression oder eine Trennung zu erinnern, heiÃt Gefahr laufen, daraus eine Vollzeitbeschäftigung zu machen und weder Energie noch Raum zu haben, um schlicht und einfach zu leben.
Wenn ich feststelle, dass ich anfange, einen Bogen um eine Erinnerung zu machen, ganz gleich, ob sie alt oder frisch ist, geht bei mir ein Warnsignal an. Wenn ich merke, dass ich an nichts anderes mehr denken kann, halte ich einen Moment inne, statt zu versuchen, die Erinnerung zu verjagen, und beobachte sie detailliert. Meistens erreiche ich damit mindestens, dass ich keine Angst mehr vor ihrem erneuten Auftauchen habe.
Sich mit seinen Erinnerungen befassen und weitergehen
Wie groà auch die Schwierigkeit in der Vergangenheit gewesen sein mag, das Vorgehen, um sich davon zu befreien, ist mehr oder minder immer dasselbe. Der erste Schritt besteht darin, sich klarzumachen, dass der Versuch zu vergessen nur vorübergehend funktioniert. Man muss erst den Waffenstillstand unterschreiben. Der zweite Schritt beruht auf einer freiwilligen und ruhigen Annäherung an seine Erinnerungen. Der dritte und vielleicht wichtigste besteht darin, neue Erinnerungen zu erzeugen.
Wenn sich bei Ihnen ein Hausbesetzer einnistet, wird Ihre erste Reaktion darin bestehen zu versuchen, ihn vor die Tür zu setzen. Aber stellen Sie sich einen »dauerhaften« Hausbesetzer vor, den Sie nicht hinausschmeiÃen können. Genau das ist eine Erinnerung! Sie können weiterhin versuchen, ihn loszuwerden, aber Sie werden dabei sehr viel Energie und Zeit verschwenden. Sie können auch versuchen, ihm in Ihrer Wohnung aus dem Weg zu gehen, doch dann laufen Sie Gefahr, Ihr Leben in einem Wandschrank zu verbringen. SchlieÃlich können Sie ihn auch beschimpfen oder auf den Staat, die Sozialbehörde oder die Polizei fluchen, mit dem Ergebnis, dass dieses Verhalten Ihre Moral noch weiter untergraben wird. Wenn es Ihnen wirklich unmöglich ist, diesen üblen Weggenossen loszuwerden, besteht die beste Weise, wieder Geschmack am Leben zu finden, vielleicht darin, Freunde zum Essen einzuladen, auch wenn er da ist. Er ist in Ihrem Leben, aber nichts zwingt Sie, Ihr Leben auf Eis zu legen.
Welche Anstrengungen Sie auch unternehmen, es wird Ihnen nicht gelingen, Ihre Erinnerung an die Vergangenheit zu verändern oder ihr einen Maulkorb zu verpassen. Und all die Mühen und die Zeit, die Sie dafür aufwenden, sie aus Ihrem Gedächtnis zu streichen, werden Sie daran hindern, ein glückliches Leben zu führen, sprich: einfach weiterzuleben.
Im Heute handeln, um Vergangenes zu heilen
Wir können nur den Teil unserer Geschichte ändern, der jetzt beginnt.
Das einzige Mittel, um wieder ein normales Leben zu führen, besteht also darin, neue Erinnerungen zu schaffen, damit die alten nicht den ganzen Raum einnehmen. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, ebenso wenig wie die Spuren, die sie in uns hinterlassen hat. Wir können nur den Teil unserer Geschichte ändern, der jetzt beginnt. Das Problem, wenn man versucht, seine Vergangenheit auszulöschen, besteht darin, dass man gleichzeitig den Gedanken in sich festschreibt, dass es unmöglich ist, einen Neuanfang zu machen, indem man an dem Punkt, an dem man steht, von vorn beginnt, weil die eigene Geschichte uns angeblich daran hindert. Aber es ist immer möglich, das Leben neu zu beginnen und nach vorn zu blicken. Haben Sie schwierige Dinge erlebt â selbst wenn Sie sie verabscheuen und sie lieber nicht erlebt hätten â, so sind sie doch wichtig für Sie gewesen. Was wichtig ist, ist nicht zwangsläufig das, was wir lieben, sondern das, was uns verändert hat.
Nehmen wir noch einmal das Beispiel des Hausbesetzers: Mit der Zeit gelingt es Ihnen vielleicht, ein Gedeck für ihn aufzulegen und Frieden zu schlieÃen, statt nur einen Waffenstillstand zu unterzeichnen. Ich habe das für mich einzige Mittel gefunden, um meinen Weg fortzusetzen mit meiner Erinnerung an François, Pierre und die anderen und das Murmelspiel, das es nicht mehr gibt: Ich nehme mir einen Augenblick Zeit, um mich zu erinnern. Voll und
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