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Die Geheimnisse der Therapeuten

Die Geheimnisse der Therapeuten

Titel: Die Geheimnisse der Therapeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christophe André
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am Schuljahresanfang besonders schwer »löschen«, wie man im Psychologenjargon sagt.
    Es ist sehr schwierig, das Auslöserpotenzial all jener Elemente zu beseitigen, die die intensivsten Augenblicke unseres Lebens begleitet haben. Doch allein wenn es uns gelingt zu ergründen, was in uns diese schlechten Erinnerungen auslöst, können wir dadurch mehr Gelassenheit gewinnen. Wir wissen dann, womit wir rechnen müssen. Das ist eine Übung, die ich von Zeit zu Zeit mache. Jedes Mal, wenn unerwünschte Erinnerungen auftauchen, halte ich einen Moment inne und versuche herauszufinden, wodurch sie wohl ausgelöst wurden. Das ist nicht immer einfach, aber es ist oft sehr wirksam. Und wenn es mir nicht gelingt, sage ich mir manchmal auch, dass meine Vorfahren nur dadurch überlebt haben, dass sie »das Gras wachsen hörten« und dass sie mir dieses »Geschenk« vermacht haben.
    Es ist ein wenig schulmeisterlich, sich seine Charakterfehler als ein Zuviel an guten Eigenschaften vorzustellen, aber es kommt der Wirklichkeit dennoch sehr nah. Diejenigen, deren Vorfahren nicht daran dachten, dass gleich ein Tiger hervorkommen würde, wenn sich das Gras bewegte, haben ganz sicher nie das Licht der Welt erblickt!
    Nicht gegen einen Teil von sich ankämpfen
    Bei Erinnerungen gibt es die »tatsächlich vergessenen« und die »vergeblich versteckten«. Vorzugsweise sollte man sich nicht allzu sehr mit den »tatsächlich vergessenen« beschäftigen. Seine Zeit damit zu verbringen, die eigene Vergangenheit zu durchforsten in der Hoffnung, dort einen Schlüssel zum Verständnis zu finden, kann gefährlich werden. Man läuft dabei Gefahr, Erinnerungen, die nicht mehr existieren, zu rekonstruieren und ihnen eine Bedeutung beizumessen, obwohl man sie, wenn man sie vergessen hat, genau deshalb vergessen hat, weil sie keine große Bedeutung besaßen. Die »vergeblich versteckten« Erinnerungen hingegen verdienen es, dass man sich mit ihnen befasst. Denn wenn Sie bestrebt sind, an eine bestimmte Episode in Ihrem Leben nicht zu denken, dann ist sie gewiss wichtig. Das heißt, dass sie in Ihnen eine intensive Emotion ausgelöst hat und immer noch auslöst, die Sie gern zum Schweigen bringen möchten. Diese Erinnerung wird Sie wahrscheinlich weiter verfolgen, solange Sie versuchen, vor ihr zu fliehen.
    Kann man willentlich vergessen?
    Meistens bleiben wir nicht passiv angesichts von Erinnerungen, die sich gegen unseren Willen einstellen, sondern versuchen, sie mit Gewalt und Kampfgeist aus unserem Kopf zu vertreiben. Sie sind zu schrecklich, und wir wollen nicht, dass sie wieder an die Oberfläche kommen. Ich sage wohlweislich, dass wir versuchen , sie zu vertreiben, denn ich kann Ihnen gleich sagen, dass es unmöglich ist, etwas willentlich zu vergessen. Dem Gedächtnis kann man nur etwas hinzufügen, niemals etwas wegnehmen.
    Es ist unmöglich, willentlich zu vergessen.
    Es ist unmöglich, willentlich zu vergessen, aber wir kämpfen permanent und manchmal sehr diskret darum, wie mit einer verschleierten Gewohnheit, die sich im Dunkel verbirgt. Es gibt Menschen, die ihre Zeit damit verbringen, auf dem neuesten Stand der Technologie zu sein, die endlos Pläne schmieden und weder nach rechts noch links schauen, als wenn das Warten auf das neueste iPhone ihnen helfen könnte, immer nach vorn zu schauen, damit sie nicht sehen müssen, was hinter ihnen liegt. Und dann gibt es die anderen, zu denen ich mich zähle, die ihre alte Aktentasche nicht gegen alles Gold der Welt eintauschen würden, aber denen es schwerfällt, sich einzugestehen, woran es liegt: dass sie mit Erinnerungen besetzt ist, die sie beruhigen. Bruchstücke der Vergangenheit in einer Ledertasche. Ein seltsamer Ort, um sein Gedächtnis zu verstauen!
    Warum ist es denn unmöglich, willentlich zu vergessen? Zunächst einmal aufgrund all jener Signale, von denen die Rede war und die dafür Sorge tragen, dass wir uns an das erinnern, was wir an Schmerzhaftem erlebt haben. Solche Signale begegnen uns die ganze Zeit. Eine Melodie, ein Wort, ein Parfüm: drei kleine Nichtigkeiten, die viel bewirken können. Dazu kommt, dass man, wenn man eine unangenehme Episode im Leben willentlich vergessen möchte, sich auf diese Erinnerung konzentrieren muss, was ihr noch mehr Kraft gibt.
    Es verhält sich ein wenig so, als wollte man ein Gerücht im Internet unterbinden. Man kann

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