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Die Geheimnisse der Therapeuten

Die Geheimnisse der Therapeuten

Titel: Die Geheimnisse der Therapeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christophe André
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ganz. Ohne zu versuchen, mich zu verteidigen, rufe ich mir alle Einzelheiten dieser so wunderbaren und gleichzeitig schmerzhaften Augenblicke zurück, die mir einfallen, auf die Gefahr hin, dass die Wehmut siegt. Ich achte darauf, dass ich mich nicht auf große philosophische Höhenflüge über die Existenz und das Vergehen der Zeit einlasse, auf all diese Analysen, die nicht sehr viel taugen. Ich gebe einfach diesen virtuellen Menschen meiner früheren Existenz in mir Raum. Und sobald die Wallfahrt vorüber ist, habe ich Frieden, bin gelassen und bereit, meinen Weg fortzusetzen und mir neue Erinnerungen zu schaffen.
    Wenn ich diese Jahre in der Schule wiedererlebe, denen ich manchmal so nachtrauere, stelle ich mir immer dieselbe Frage: Wie kommt es, dass ich damals gar nicht gemerkt habe, wie schön es war? Und auch eine andere, die von Angst gefärbt ist: Was ist, wenn das, was ich jetzt erlebe, ebenso schön ist, und ich es gar nicht merke? Muss man warten, bis etwas vorbei ist, um wahrzunehmen, dass es nach Glück schmeckt? Oder sollte man es im Fluge ergreifen, hier und jetzt. Es ist vielleicht an der Zeit, dass ich mir eine neue Aktentasche gönne …

Teil III – Selbstverwirklichung in Beziehungen

    Was nützt es, dass es uns gut geht, wenn es uns ganz allein in unserem Kämmerchen gut geht? Die Beziehungen zu anderen machen uns zu dem, was wir sind, und geben uns Nahrung. Sie retten uns manchmal. Und manchmal verletzen sie uns. Glücklicherweise gibt es auch da Anhaltspunkte, Gebrauchsanweisungen. Man muss sie nicht eins zu eins befolgen, aber man kann sich von ihnen ja inspirieren lassen …

14 – Bruno Koeltz
    Selbstoffenbarung: Wie man seine Schwächen richtig zeigt
    Die Menschen unterscheiden sich durch das, was sie zeigen, und ähneln sich in dem, was sie verbergen.
    Paul Valéry
    Seit einiger Zeit habe ich in meinem Wartezimmer einen digitalen Bilderrahmen hängen, in dem wechselnde Fotos von alten Türen zu sehen sind. Ich hänge an diesen Fotos, die ich im Laufe der Jahre gesammelt habe, und es macht mir Freude, sie anderen zu zeigen. Zwischen die Fotos habe ich Zitate, einen Gedanken oder einige Zeilen aus einem Gedicht eingestreut. Diese kurzen Sätze laden zum Nachdenken oder zum gemeinsamen Erleben einer Emotion ein.
    Orthografie ist nicht meine Stärke
    Meine Patienten geben regelmäßig einen kurzen Kommentar ab: Die Fotos gefallen ihnen, diese oder jene Zitate haben sie berührt, einige machen sich Notizen, andere kündigen sogar an, dass sie das nächste Mal eher kommen wollen, um Zeit zu haben, die Bilder und Gedanken zu genießen. Regelmäßig sagen einige Patienten: »Das ist wirklich großartig, doch ich habe ein paar Rechtschreibfehler entdeckt.« Oder auch: »Was Sie sich für Ihr Wartezimmer ausgedacht haben, gefällt mir sehr, aber ich weiß nicht, ob Ihnen die Rechtschreibfehler aufgefallen sind.«
    Früher
    Vor einigen Jahren hätte ich vermutlich eine Entschuldigung gestammelt: »Ach wie ärgerlich! Mir hat die Zeit gefehlt, alles aufmerksam zu prüfen.« Oder auch: »Ich habe das sehr schnell gemacht, ich hatte nicht die Zeit, es noch einmal durchzulesen.« Damit wäre ich eindeutig nicht im Einklang mit dem gewesen, was ich meinen Patienten Tag für Tag empfehle: sich für Komplimente bedanken, konstruktive Kritik akzeptieren, sich nicht unnötig rechtfertigen, seine Fehler ohne Scham zugeben. Heutzutage bin ich daher sehr aufmerksam und nutze solche Gelegenheiten, um mit gutem Beispiel voranzugehen.
    Was ich verändert habe
    Da der Kommentar in 99 Prozent der Fälle mit einem Kompliment beginnt, bedanke ich mich zunächst dafür. Dann bringe ich zum Ausdruck, wie sehr es mich berührt, denn ich verhehle nicht, dass ich mich in diese Diaschau hineingekniet habe. Das klingt dann so: »Danke, es freut mich, dass sie Ihnen gefällt, denn es hat mich Zeit gekostet, sie zu erstellen, und ich habe mich gefragt, wie sie ankommen würde.« Anschließend muss ich auf den zweiten Teil der Bemerkung eingehen, bei dem es um die Rechtschreibfehler geht, und nun muss ich eine meiner Schwächen zugeben. »Ich danke Ihnen auch, dass Sie mich auf die Rechtschreibfehler hinweisen, Sie sind im Übrigen nicht der Erste. Wissen Sie, das ist eines meiner großen Probleme. Ich kann es so oft lesen, wie ich will, mir entgehen immer einige Fehler. Offen

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