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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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verschwand. Und du willst mir erzählen, das wäre alles bloß Zufall?«
    »Ich sage ja gar nicht, dass es
alles
Zufall ist«, begann sie.
    »Dann sag lieber gar nichts.« Aber er lächelte, um ihr zu |146| zeigen, dass er es eher scherzhaft meinte. Wieder einmal ging ihr auf, warum sie ihren kleinen Bruder einerseits liebte und ihn andererseits oft am liebsten umgebracht hätte. »Schau, es würde gut passen, wenn Kingaree das Kontinuaskop gestohlen und das Feuer gelegt hätte, um die Sache zu vertuschen. Aber Simos sagt, so war es nicht. Er sagt, Alamu hätte das Labor abgebrannt.« Er hielt sich den Kopf, als ob er schmerzte. »Mann! Irgendwas fehlt mir da.«
    Lucinda lächelte. »Vielleicht Verstand.« Sie erblickte jetzt in der Ferne den Reptilienstall, und ihr Herz schlug ein wenig schneller.
Ich komme!,
dachte sie und versuchte, den Gedanken vorauszuschicken wie einen Lichtstrahl.
Ich bringe Möhren mit!
Dann wurde ihr klar, was sie da tat: Sie erklärte ihren Bruder für plemplem, und gleichzeitig redete sie in Gedanken mit einem Drachen.
    »Warum lachst du?« Tyler wartete die Antwort nicht ab. »Wie auch immer, irgendwas übersehe ich. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich habe es voll nicht auf dem Schirm. Warum sollte Alamu sich für das Labor interessieren? Warum sollte er es abbrennen wollen?«
    »Vielleicht war das die beste Methode, jemanden zum Schweigen zu bringen.«
    Im ersten Moment guckte Tyler richtig verdutzt und wusste nicht, wie er das verstehen sollte. Dann streckte er ihr die Zunge heraus, was er seit Jahren nicht mehr gemacht hatte. »Alles klar, vielen Dank, Luce. Du bist eine echte Hilfe.«

    Auf den Hinterbeinen und den Knöcheln ihrer angelegten Flügel kam Desta an das Gitter ihres Käfigs, den Kopf leicht gedreht und ein wissendes Auge auf den Beutel Möhren in Lucindas Hand gerichtet.
    |147|
Ich weiß, dass du sie siehst,
sagte Lucinda zu ihr, wenigstens in Gedanken. Es war manchmal schwer zu sagen, wie viel Desta verstand.
Ja, die sind für dich, du kleiner Gierhals!
    Es war kaum mehr als ein wortloser Impuls, aber er war etwas, das Lucinda deutlich verstand:
Haben wollen!
    Haneb schob einen Wagen voll toter Schafe für Meseret vorbei. Sie schlief unter der Batterie von UV-Lampen, die dazu beitrugen, dass es im Reptilienstall noch wärmer war als draußen in der kalifornischen Sommersonne. »Sie wartet auf dich, die Kleine«, sagte er. »Sie weiß, wann du hier.«
    »Aber ich komme doch gar nicht immer um dieselbe Zeit«, wandte Lucinda ein.
    Haneb zuckte die Achseln. »Trotzdem, sie weiß. Sehr schlau, die Illujankan.« Das fremde Wort klang, als wollte er gleich ausspucken. Er lächelte verlegen und übersetzte: »Drachen.«
    »Wieso weißt du so viel über sie?«, fragte sie und hielt Desta die erste Möhre hin. Die blaue Zunge umschlang sie, zog sachte, und die Möhre verschwand aus Lucindas Hand.
Brav,
dachte sie.
Braves Mädchen!
    »Ich … ich mit ihnen komme. Von wo ich war.«
    Was Ragnar gesagt hatte, stimmte also. »Magst du mir davon erzählen?«
    Fast erschrocken starrte er sie mit seinem sichtbaren Auge an; das andere war hinter dem Vorhang aus Haaren versteckt. »Ich muss Arbeit. Entschuldigung, Miss Lucinda. Muss die Große füttern.« Er deutete auf den Rollwagen und die toten Schafe, die an diesem heißen Tag schon die Fliegen anzogen. »Ich muss Arbeit.«
    Was, wie Lucinda erkannte, in Wirklichkeit bedeutete: »Zwing mich bitte nicht, darüber zu reden.« Ragnar hatte erzählt, sein Gesicht sei schon vernarbt gewesen, als er im Kindesalter |148| auf die Tinkerfarm gekommen war. »Sicher, Haneb, tut mir leid.«
    »O Mann«, sagte Tyler vernehmlich. »Was willst
du
denn hier?«
    Sie drehte sich um und erblickte Colin Needle, der viele Meter von Lucinda und den anderen entfernt stehen geblieben war, als läge ein tödlicher Sumpf zwischen ihnen.
    »Fang nicht schon wieder an, Jenkins.«
    »Nein, echt, immer wenn ich mich umdrehe, bist du da. Spionierst du uns nach?« Tyler ging auf Colin zu, Arme locker herabhängend, Schultern zurückgezogen, Brust raus.
    »Hör auf, Tyler.«
Jungen,
dachte Lucinda.
Immer dieses Imponiergehabe.
    Ja, Männer. So dumm, so brutal.
    Erst dachte Lucinda, jemand hätte es ausgesprochen, eine tiefe, volltönende Stimme mit dem Bassbrummen einer Kirchenorgel. Dann begriff sie, dass es in ihrem Kopf gewesen war, und
nur
in ihrem Kopf, und dass es keine Worte gewesen waren, sondern nur Gedanken.
Meseret?,
fragte sie.
Bist du das?
Es war die

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