Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
davonzumachen, Jenkins. Alle sollen in der Nähe bleiben und helfen.«
»Ach, keine Sorge«, sagte Tyler. »Ich helfe schon, auf meine Weise.« Er weidete sich an Colins Unbehagen. »Überhaupt, ich sollte mich auf die Socken machen. Solltest du auch, sonst muss deine Mutter auf dich warten.«
»Verlass ja nicht das Haus«, zischte Colin. »Du kannst es dir nicht erlauben, noch mehr Scherereien zu machen.«
»Und wer sollte mich daran hindern? Du?« Tyler ging um ihn herum. »Lauf jetzt. Hilf deiner Mutti. Sei ein braver Junge.«
Colin riss die Augen auf, als könnte er es nicht glauben, dass Tyler sich solche Frechheiten herausnahm. »Du … du hast eine verdammt große Klappe, Jenkins, und eines Tages …«
»Colin!«, rief Mrs. Needle aus dem Schlangenzimmer. »Wo bleibst du?«
Tyler winkte ihm im Hinausgehen zu. »Schönen Nachmittag noch!« Er schlenderte betont gemächlich zur Haustür hinaus, nur für den Fall, dass Colin umgekehrt war und ihm nachschaute. Er würde sich bestimmt schwarz ärgern bei der Vorstellung, dass Tyler sich eventuell schon auf die Suche nach dem Nest machte.
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Alter, das ist ein Ding,
dachte Tyler.
Kaum zu glauben, dass ich mich noch mal über die endlosen Stunden im Matheunterricht freue.
Bei Ms. Shah hatte er gelernt, wie man ein Koordinatensystem zeichnet, und das übertrug Tyler jetzt mit Bleistift auf eine Flurkarte der Ordinary Farm, die er in der Bibliothek gefunden hatte, und markierte darauf alle Stellen, an denen die Farmarbeiter Alamu gewöhnlich sichteten. Dann breitete er die markierte Karte auf seinem Bett aus und betrachtete sie.
Tyler musste den Ort finden, an den der Drache regelmäßig zurückkehrte – dort befand sich wahrscheinlich sein Nest. Wenn er also um jede eingezeichnete Stelle einen gleich großen Kreis zog, dann kam das Gebiet, wo sich die meisten Kreise überschnitten, am ehesten für die Suche nach dem Nest in Frage. Und siehe da, sämtliche Orte, wo der Drache gesichtet worden war, wiesen ungefähr die gleiche Entfernung von den Bergen am Westrand der Farm auf, einer von Nachbarn und Straßen weit abgelegenen Gegend.
Also dann, auf zur Suche nach deinem Nest, mein Drächelchen,
dachte Tyler,
und nach deinen glänzenden Schätzen.
Aber nicht mehr an diesem Abend, auf keinen Fall. Die Vorstellung, im Dunkeln nach einem Drachennest zu stöbern, schreckte selbst Tyler den Wagemutigen.
Nein, ich werde morgen gehen, wenn die Sonne scheint und du deine Runden drehst.
Am nächsten Tag erledigte er seine Arbeiten mit einer derart rasanten Geschwindigkeit, dass selbst Simos Walkwell (der so gut wie nie schlief und kaum je eine Ruhepause einlegte) meinte, er solle sich nicht überarbeiten. Als er fertig war, machte er sich einen Brotzeitbeutel und wartete dann mit dem Aufbruch, bis Colin Needle oben war, um sich von seiner Mutter in irgendetwas unterrichten zu lassen.
|162| Tyler brauchte eine knappe Stunde, um quer über die Felder zu den westlichen Bergen zu marschieren. Er entschied, dass er mit seiner Suche am besten bei der höchsten Erhebung anfing, die laut seiner Flurkarte Miners Mountain hieß, denn selbst wenn er dort oben nichts fand, hatte er doch vom Gipfel aus einen guten Überblick.
Die Vormittagssonne dörrte bereits den Boden aus, und im trockenen Gras summten und sirrten die Insekten. Als Tyler endlich oben ankam (ohne eine Spur von Alamus Nest entdeckt zu haben), hatte er seine Feldflasche schon zur Hälfte ausgetrunken, und als er sein mitgebrachtes Brot verzehrte, leerte er sie fast ganz. Die kümmerlichen Bäume am Hang spendeten nicht viel Schatten.
Eine Stunde später war die Flasche leer. Er hatte die Sonne über das Tal ziehen sehen wie einen Schwamm über eine schmutzige Fensterscheibe und durch sein Fernglas gestarrt, bis ihm die Augen wehtaten, aber noch immer hatte er nichts erblickt, was auch nur annähernd wie ein Drachennest aussah. Er hatte auch die Entdeckung gemacht, dass einige der im trockenen Gras singenden Käfer gern Menschen bissen, sehr gern sogar. Er überlegte schon, ob er die ganze Expedition nicht lieber abbrechen sollte, als er in einer Bergspalte nahe dem Miners Mountain etwas glitzern sah.
Selbst mit dem Fernglas konnte er nicht viel mehr erkennen als ein Funkeln im Gebüsch, deshalb brach er nicht gleich in Jubel aus. Ein paarmal schon hatte er sich von anderen glänzenden Dingen täuschen lassen, von weggeworfenen Flaschen und Glasisolatoren von Freileitungen. Doch obwohl ihm fast die
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