Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
Grace wiederzufinden. Ist doch egal, wer die Anerkennung dafür bekommt.«
»Darum geht’s überhaupt nicht!« Wenigstens kam es Tyler so vor. »Die Anerkennung kann mir gestohlen bleiben, aber du verstehst nicht: Colin hat das Kontinuaskop! Er kann sich die Verwerfungsspalte zunutze machen! Und wenn seine Mutter es in die Hände bekommt, kann sie das auch. Sie könnten beide in die Vergangenheit reisen und es so hindrehen, dass |216| wir nie geboren wurden!« Aus dem Augenwinkel nahm er etwas wahr, eine sonderbare Gestalt, die über den hellblauen Himmel schnell auf sie zuflog.
»Das würde Colin nicht tun«, sagte Lucinda.
»Der macht alles, was seine Mutter ihm sagt«, widersprach Tyler hartnäckig. »Wahrscheinlich war sie es, die ihn überhaupt erst darauf angesetzt hat.« Er spähte mit zusammengekniffenen Augen gegen die Sonne. »Was
ist
das?«
Eine Schrecksekunde lang war er beinahe überzeugt, Alamu würde am Himmel auf sie zurasen wie ein rächender Dämon, doch obwohl die Gestalt rasch näher kam, wurde sie nicht viel größer, und er beruhigte sich wieder. Dann erkannte er sie.
»Zaza!« Er lachte und klatschte in die Hände, während das kleine Flugtier angesegelt kam. »Schau mal, Luce, es ist Zaza!«
»Wie schön. Aber ich muss mich jetzt wieder hinlegen.« Sie drehte sich um und ging auf wackligen Beinen zum Haus zurück. Tyler beachtete sie kaum, weil das geflügelte Äffchen auf ihm gelandet war und an seinem Kopf herumturnte, ihn an den Haaren zog und leise schnatterte, ganz offensichtlich genauso erfreut, ihn zu sehen, wie er sie.
»Braves Mädchen! Heja! Braves Mädchen!« Er lachte über die kitzelnden kleinen Finger. »Hi, Zaza! Was treibst du so? Bist du etwa den weiten Weg hierher geflogen?« Früher hätte er panisch versucht zu verhindern, dass die Carrillos etwas merkten – Silvia und Paz waren nicht weit entfernt in der Küche beim Kochen –, aber wenn sie über den Mantikor und Alamu nichts gesagt hatten, dann würden sie sich wegen Zaza bestimmt auch nicht wundern. »Was führt dich her, Zazalein?«
Es war seltsam, dass die kleine Äffin so weit geflogen war, um ihn zu sehen, wo sie sich doch den ganzen Sommer über kaum hatte blicken lassen. Im Jahr davor waren sie fast unzertrennlich gewesen, aber diesmal hatte sie sich von ihm ferngehalten. |217| Einmal hatte sie ihn fern vom Haus im Garten besucht, und jetzt war sie nach Cresta Sol herübergeflogen, aber warum war sie nie ans Fenster seines Zimmers gekommen, wie sie es früher fast jede Nacht getan hatte?
Er setzte sich hin und ließ sie an sich herumkraxeln, streichelte sie, spielte mit ihr und freute sich an ihren samtig weichen Flügeln und ihren lustigen Fragelauten. Sie blickte ihm ins Gesicht und zog ihn mit ihren kleinen Händen an der Nase, bis er den Eindruck gewann, sie wollte, dass er ihr folgte, vielleicht sogar zurück zur Farm.
»Geht nicht«, sagte er. »Die haben mich rausgeschmissen. Aber ich wünschte echt, du könntest reden wie Lucindas Drachen. Ich wette, du würdest mir erzählen, was dort drüben abgeht.«
Zuletzt schwang sich Zaza in die Luft, ratlos und ein bisschen betrübt, umkreiste zweimal laut schnatternd Tylers Kopf und sauste dann zur Tinkerfarm zurück.
»Okay«, sagte Tyler zu den Carrillo-Kindern. »Was ist mit euern Eltern los? Das geht jetzt schon drei Tage. Warum sagen sie nichts dazu, was passiert ist?«
»Was wo passiert ist?«, fragte Steve, ohne von seinem GameBoss-Bildschirm aufzublicken.
Tyler verdrehte die Augen. »Komm schon, Mann! Dein Vater ist den Wagen gefahren. Wir sind von einem Mantikor angegriffen worden und hatten einen Drachen auf dem Dach. Wir wären fast gestorben! Warum haben sie nichts dazu gesagt?«
»Ich weiß«, sagte Carmen. »Es ist gruselig. Es ist, als ob es nie passiert wäre.«
»Nein.« Die kleine Alma schüttelte mit ernster Miene den |218| Kopf. »Es ist passiert. Das sieht man ihnen doch an. Sie reden bloß nicht mit uns darüber.«
»Aber warum?« Carmen ließ sich schwer auf ihr Bett plumpsen, so dass Lucinda, die in einem Schlafsack darauf lag, in die Höhe schnellte.
»Nicht«, stöhnte sie. »Mir tut der Kopf weh.«
»Entschuldige. Aber dein Bruder hat recht: Warum sagen sie nichts? Das wird mir langsam unheimlich.«
Steve stand auf. »Alter, da gibt’s eine ganz einfache Lösung. Wir gehen sie fragen.«
Als sie sich der Küche näherten, hörten sie Mr. und Mrs. Carrillo leise, aber angespannt diskutieren. »… damit umgehen«,
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