Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
der Zeit, dass sich unsere Wege wieder trennen … oder besser gesagt, unsere Zeiten.«
»Vielleicht könnten wir … mit Ihnen kommen«, sagte Tyler. »Ihnen helfen, Grace zu finden.«
»Kommt nicht in Frage!« Steve klang entsetzt. »Meine Eltern werden eh schon stinksauer auf mich sein. Was werden sie erst sagen, wenn sie rauskriegen, dass ich in der Vergangenheit war? Nichts Gutes, das ist sicher.«
Der alte Mann schüttelte seine weiße Mähne. »Nein, nein, nein. Dein Freund hat recht, das ist gar keine gute Idee, mein Junge. Du hast deine Zukunft und ich habe meine, auch wenn sie deine Vergangenheit ist. Ich bin mir sicher, dass wir überhaupt nur an Orten wie diesem hier wagen dürfen, sie kurzzeitig einmal zu mischen.«
»Sicher?« Tyler war enttäuscht, dabei wusste er gar nicht, warum.
»Ja, sicher. Und falls wir uns eines Tages noch einmal an irgendeinem Zwischenort begegnen, werde ich es dir erklären. Aber jetzt muss ich erst mal meine Enkelin finden, und du musst tun, was du zu tun hast.« Octavio hielt ihm die Hand hin. »Wie heißt du übrigens, junger Mann?«
»Tyler.« Er ergriff die dargebotene Hand. Diesen Moment hätte er sich in einer Million Jahren nicht vorstellen können.
Octavio drückte sie fest. »Freut mich sehr«, sagte er. »Ich wünsche dir alles Gute, was du in Zukunft auch unternehmen magst.« Ein kurzes Stutzen trat in sein Gesicht. »Ich habe dich gar nicht gefragt, was du hier unten treibst, nicht wahr? Ach, besser, ich weiß es nicht.« Der alte Mann machte eine steife kleine Verbeugung, dann trat er auf die Steinwand zu und verschwand darin.
»Alter, das gibt’s nicht«, sagte Steve. »Das war ein Geist. Ein richtiger Geist.«
|283| »Nein, er ist bloß zurück in die Verwerfungsspalte gegangen.« Tyler fühlte sich irgendwie leer. Der alte Mann fehlte ihm jetzt schon. »Und wir müssen das jetzt auch tun.«
»Aber wir wollen doch nicht in die Vergangenheit! Das sollen wir nicht, hat er gesagt!«
»Nein, werden wir auch nicht«, sagte Tyler. »Aber wir sind im Augenblick gar nicht richtig in unserer Zeit. Das kann ich fühlen.« Er fühlte es tatsächlich. Wie Octavio Tinker angedeutet hatte, befanden sie sich an einem Zwischenort in einer Zwischenzeit, in die weder Octavio noch Tyler und Steve gehörten. »Wenn du zurückwillst, dorthin, wo wir vorher waren, müssen wir auch hier durch.« Er hielt ihm die Hand hin. Steve beäugte sie misstrauisch. »Das ist nichts Schwules oder so. Du musst mich anfassen.« Wieder hatte er keine Ahnung, woher er das wusste, er wusste es einfach.
»Das ist es nicht, Mann«, sagte Steve. »Es ist nur … Keine Geistergruselsachen, versprochen?«
»Ich verspreche gar nichts. Ich weiß selber kaum, was hier läuft. Das müsstest du mittlerweile wissen.«
Steve schluckte, dann nahm er Tylers Hand und drückte sie mit seinen feuchten Fingern. »Wenn du uns umbringst, Jenkins, bring ich dich auch um, das schwöre ich.«
Tyler machte einen Schritt vorwärts und trat durch den Fels. Die Dunkelheit verschluckte sie. Sie fielen aus den kühlen Bergwerksgängen in eine heiße, knisternde Leere.
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31
MIT VOLLGAS DURCH DEN ZAUN
L ucinda wusste, dass sie schon in unangenehmeren Lagen gewesen war als auf dem Rücksitz von Edward Stillmans teurem Wagen, eingekeilt zwischen ihm und dem finster blickenden Schrank namens Deuce, aber spontan wollte ihr keine einfallen, jedenfalls keine ohne lebende Drachen.
Als sie im Wolkenbruch und Gewitter auf die Springs Road abbogen, brach Stillman das lange Schweigen. »Weißt du, ich bin gar nicht so schlimm, wie Gideon mich immer darstellt«, sagte er. »Schließlich ist
er
doch eigentlich der Eindringling. Überhaupt, wenn du mit Octavio verwandt bist, fällt mir da ein, dann bist du viel näher mit mir verwandt als mit Gideon Goldring.«
»Ja, meinetwegen.« Lucinda wollte sich nicht unterhalten. |285| Die angespannte Situation schlug ihr auf den Magen und sie fürchtete, sich jeden Moment zu erbrechen.
»Bitte. Ich kann es nicht leiden, wie Kinder heute mit einem reden«, fuhr er sie an. »›Meinetwegen‹ – was ist das für eine Art? Etwas mehr Respekt vor dem Alter, wenn ich bitten darf. Du könntest durchaus noch etwas lernen.«
Sie hatte ihn gebeten, sie mitzunehmen, erinnerte sich Lucinda, und jetzt war sie ihm ausgeliefert. Vielleicht war es besser, wenn sie ihn nicht gegen sich aufbrachte. »Entschuldigung, Mr. Stillman, ich mache mir bloß ziemliche Sorgen. Sind wir wirklich
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