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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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experimentiert und sind in der Zukunft rausgekommen.«
    Der alte Mann zog eine buschige Augenbraue hoch. »Tatsächlich? Das war nicht meine Absicht. Welches Jahr haben wir?« Als Tyler es ihm sagte, ging auch die andere Augenbraue in die Höhe. »Hmmm. Du hast recht, das ist mehr als zwanzig Jahre später als der Punkt, an dem ich in die Spalte hinein bin.« Er grinste und sah dabei aus wie ein kleiner Junge, der ein Geheimnis hat. »Sie öffnet sich also in beide Richtungen, in die Vergangenheit
und
in die Zukunft. Meine Theorie hat gestimmt. ›Verwerfungsspalte‹, hast du gesagt. Ist das der offizielle Name heutzutage?«
    Tyler zuckte die Achseln. »Kann sein. Sie ist immer noch geheim. In Ihren Notizen haben Sie mal Spalte, mal Verwerfung, mal Verwerfungsspalte geschrieben. Der Mann Ihrer Enkelin, Gideon, sagt Verwerfungsspalte dazu.«
    »Gideon!« Der alte Mann hob den Kopf. »Ha! Das hätte ich mir denken können, dass er es schafft, die Farm irgendwie zu behalten. Ich hoffe, Grace hat ihn gut im Griff und …« Er verstummte mitten im Satz und sah plötzlich betroffen aus. »O Gott, das hatte ich ganz vergessen! Habt ihr sie gesehen? Sie ist es, die ich suche, meine Enkelin Grace.«
    |275| Tyler war sich ziemlich sicher, sie gesehen zu haben, wenn auch nicht so, wie Octavio Tinker es meinte. »Nein, Sir. Nicht hier. Nicht heute.«
    »Verdammt.« Der alte Mann schien sich schon wieder in Gedanken verlieren zu wollen, besann sich aber. »Könnt ihr mir sagen, ob ich sie finde, wenn ich …?«, begann er, unterbrach sich dann aber und winkte ab. »Nein! Nein, vergesst die Frage. Ich will nichts über die Zukunft erfahren. Das Risiko von Paradoxien ist zu hoch. Erzählt mir nichts mehr darüber, was vor mir liegt, hört ihr?
Nichts!«
    Tyler, der sich bereits besorgt gefragt hatte, was er dem Erfinder des Kontinuaskops erzählen sollte und was nicht, war erleichtert. Was hätte er ihm auch erzählen können? Er wusste nicht, an welchem Punkt der alte Mann in seiner eigenen Zeit war – Gideons Schwiegervater mochte noch fünf Jahre zu leben haben oder fünf Tage. Das Einzige, was Tyler mit Sicherheit wusste, war, dass er am Ende, in der Nacht von Grace’ Verschwinden, tot neben seinem Wagen in der Auffahrt der Ordinary Farm liegen würde.
    Da kam Tyler plötzlich ein Gedanke.
Er hat gesagt, dass er Grace sucht. Was … was ist, wenn das die Nacht ist, aus der er gerade kommt?
Die Nacht, in der seine Enkelin, Gideons Frau, spurlos verschwand? Die Nacht, in der sie irgendwie in die Spiegelwelt geriet, wo Tyler sie angetroffen hatte? »Sie suchen Ihre Enkelin, haben Sie gesagt. Was ist mit ihr?«
    »Das ist es ja«, sagte der alte Mann bedrückt. »Ich weiß es nicht! Ich bin von einer Besorgung in der Stadt zurückgekommen, und sie war fort! Sie war allein hier, als ich losfuhr, aber es gibt nirgends eine Mitteilung, wo sie hin ist, und das Kontin …« Er unterbrach sich und blickte mit jähem Misstrauen von Tyler zu Steve.
    »Ich schwöre, ich weiß gar nichts, Sir!«, rief Steve hastig, |276| hielt die Hände hoch und wich zurück. »Ich setz mich einfach ganz still da drüben hin, und Sie müssen mich überhaupt nicht anfassen mit Ihren Zeithänden oder was weiß ich.«
    Tyler verdrehte unwillkürlich die Augen. »Sie wollten gerade ›Kontinuaskop‹ sagen«, wandte er sich an Octavio. »Darüber wissen wir schon Bescheid. Ich verbringe immer den Sommer auf der Farm, und … und ich weiß viel über Sie und die Verwerfungsspalte, Mr. Tinker. Keine Sorge, Ihre Geheimnisse sind weiterhin sicher.«
    Octavio musterte ihn eine Weile, dann nickte er. »Gut. Aber mir war gar nicht klar, dass ich in die Spalte geraten war. Eine Fluktuation muss mich mitgenommen haben.« Er zeigte auf Tylers Taschenlampe. »Ich irre schon seit längerer Zeit im Dunkeln herum, mein Sohn. Wenn du mir hilfst, Grace zu suchen, erzähle ich dir, was ich weiß. Vielleicht können wir gemeinsam ein bisschen Klarheit in diese Sache bringen.«

    Tyler wurde nicht schlau aus Octavio Tinker. Zeitweise wirkte er vollkommen klar im Kopf, aber wenn er dann an der Kreuzung zweier Bergwerksstollen stand und mit gebrochener Stimme nach seiner verschollenen Enkelin rief, war er in einem Zustand, den Tylers Mutter als »einigermaßen bekloppt« bezeichnet hätte. Stand der alte Mann unter Schock? War er traumatisiert? Oder war er einfach senil, ein Greis, dessen Blick auf die Außenwelt sich langsam trübte?
    Sie gingen lange durch den Stollen.

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