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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Abby zahlte für ihr Taxi und näherte sich der Brücke. Hohe Bäume säumten das Ufer; das Wasser kräuselte sich an seichten Stellen. Wenn man die Wohnblöcke und Markthallen links und rechts des Flusses ausblendete, konnte man sich vorstellen, wie es hier, jenseits der Stadt, zu Konstantins Zeit ausgesehen haben mochte.
    Die alten Römer hatten die Brücke als Straßenüberführung gebaut, doch die modernen Römer trauten den inzwischen zweitausendeinhundert Jahre alten Rundbögen schwere Lasten nicht mehr zu. Abby war fast allein auf der Brücke, abgesehen von einigen wenigen Geschäftsleuten, die von der Arbeit kamen, und einem jungen Paar, das wie in Andacht vor der Brüstung kniete. Der Junge machte sich an der Mauer zu schaffen, flüsterte dem Mädchen etwas zu und gab ihm einen Kuss. Dann standen beide auf, worauf der Junge dem Mädchen einen Arm um die Taille legte und einen Schlüssel über die Schulter ins Wasser warf.
    Neugierig geworden, steuerte Abby auf die Stelle zu, an der die beiden gekniet hatten. An einem Drahtverhau unmittelbar vor der Brüstung hingen Hunderte von Vorhängeschlössern unterschiedlicher Größe und Farbe. Manche waren mit Herzen versehen oder beschriftet zum Zeichen ewiger Liebe und Treue. Soweit sie sehen konnte, war keines davon für sie.
    Abby wurde schwer ums Herz, als sie die aus Vorhängeschlössern bestehende Wand betrachtete, von der sie sich ausgegrenzt fühlte. All diese jungen Menschen waren in Liebe miteinander verbunden, und eine einsame Frau hatte sich hierher verirrt, um einer anonymen Textnachricht auf den Grund zu gehen.
    Mark hat recht, dachte sie bitter. Ich brauche wahrscheinlich wirklich einen Psychiater.
    Sie machte kehrt. Auf halbem Weg über die Brücke zurück verlangsamte sie unwillkürlich ihren Schritt in der vagen Hoffnung, jemand würde ihr auf die Schulter tippen und ihr wie einem verlorenen Teenager den Schlüssel geben, nach dem sie suchte. Blödsinn. Die Brücke war leer. Selbst das junge Paar war verschwunden. Abby verdoppelte ihren Schritt und fragte sich, wo sie eine Straßenbahn erreichen könnte, die sie zurück in die Stadt brachte.
    Als sie die Brücke schon verlassen hatte, fiel ihr ein schwarzer Alpha Romeo auf, der mit laufendem Motor am Straßenrand parkte. Auf der Beifahrerseite stieg ein Mann aus.
    «Abigail Cormac?» Er sprach mit einem Akzent, der nicht italienisch klang. Irgendwie kehliger. Er trug einen schwarzen Rollkragenpullover und schwarze Jeans, darüber einen langen schwarzen Ledermantel und schwarze Lederhandschuhe. «Ich muss mit Ihnen über Michael Lascaris sprechen.»
    Michael. Der Name wirkte auf sie wie ein Narkotikum, das alle Vorsicht außer Kraft setzte. Wie hypnotisiert ging sie auf den Wagen zu. Der Mann lächelte und zeigte ein Gebiss, in dem Gold schimmerte. Er nickte und lockte sie herbei wie eine Katze in einen Käfig. Im Hosenbund steckte eine Pistole, deren schwarzer Knauf deutlich zu sehen war.
    Und plötzlich wurde ihr bewusst, wie töricht sie sich verhalten hatte. Ich kann helfen. Sie hatte der Textnachricht aus lauter Verzweiflung geglaubt. Aber wer ihr wirklich zu helfen bereit war, würde keine rätselhafte Nachricht senden, auf die sich nicht einmal antworten ließ, oder sie auf eine obskure Schatzsuche durch halb Europa schicken.
    Sie wollte weglaufen, war aber zu langsam. Der Mann hatte sie mit wenigen Schritten eingeholt. Ein schwarzer Arm legte sich von hinten um sie, ein zweiter schlang sich um ihren Hals und zwang sie in den Wagen.
    Der Mann flüsterte ihr ins Ohr: «Wenn Sie Schwierigkeiten machen, werden wir Sie töten.»

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    14
    Italien – Sommer und Herbst 312, fünfundzwanzig Jahre zuvor
    Und dann waren es vier.
    Galerius starb letztes Jahr auf elende Weise, die Konstantin in aller Ausführlichkeit öffentlich machte. Der Alte verfaulte innerlich; in seinen Genitalien wucherte ein Tumor, bis er (so sagte man) aussah wie ein Mann in permanenter Erregung. Sein Leib wurde von Würmern heimgesucht, die seine Ärzte damit zu behandeln versuchten, dass sie frisches Fleisch auf seine Schwären legten, auf dass sie sich darüber hermachten. Es soll dann darin von Maden nur so gewimmelt haben. Die Christen waren entzückt.
    Aber Konstantin führt immer noch seine Schlachten. Die Verbindung mit Fausta hat weder Kinder noch Frieden hervorgebracht. Im vergangenen Jahr versuchte der alte Maximian, Konstantins Heer gegen seinen Feldherrn aufzuwiegeln. Konstantin verzieh seinem

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