Die Geheimnisse der Toten
wurden keine mit Ihrer Suchanfrage – arcumtriumphisinsignemdicavit – übereinstimmenden Dokumente gefunden.»
Sie konnte es kaum glauben. Im großen weiten Netz sollte es keine einzige Übereinstimmung geben? Aber dann wiederum schöpfte sie ein wenig Hoffnung aus diesem seltenen Umstand. Wer mir diese Nachricht hat zukommen lassen, wollte nicht ohne weiteres verstanden werden. Man hat vielleicht damit gerechnet, dass sie dem Falschen in die Hände fällt.
Das rätselhafte Wort schien eine Art lateinischer Code zu sein. Sie schrieb es in Großbuchstaben auf einen Bestellzettel und bat die Bibliothekarin am Informationsschalter um Rat.
«Können Sie sich einen Reim darauf machen?»
Die Bibliothekarin, eine große schwarze Frau in einem extravagant gemusterten Kleid, setzte ihre Brille auf.
«Wörtlich übersetzt heißt das: ‹Bogen zum Zeichen des Triumphes gewidmet›.»
«Haben Sie eine Ahnung, woher die Zeile stammen könnte?»
Sie nahm die Brille ab. «Mein Tipp? Von einem Triumphbogen.»
«Ließe sich herausfinden, von welchem?»
«Sie könnten im Corpus Inscriptionum Latinarum nachschlagen. Das ist ein Katalog sämtlicher lateinischer Inschriften, die aus römischer Zeit erhalten geblieben sind. Wenn sie denn römisch sind, versteht sich. Die Zeile könnte natürlich auch auf irgendeinem Denkmal des Zweiten Weltkriegs stehen.» Sie sah Abbys begriffsstutzige Miene und seufzte. «Auf denen findet man mitunter auch lateinische Sprüche.»
Sie kritzelte eine Signatur auf den Zettel und zeigte Abby den Weg. Die Bände des Corpus waren nicht zu übersehen; sie füllten fast ein ganzes Regalbord und brachten zusammen wahrscheinlich mehr Gewicht auf die Waage als ein menschlicher Körper. Dank der alphabetischen Ordnung hatte Abby innerhalb von nur fünf Minuten gefunden, was sie suchte. Die Übersetzung der Inschrift endete mit den Worten: «diesen Bogen zum Zeichen seines Triumphes gewidmet». Darunter war der Ort eingetragen.
Rom. Konstantinsbogen.
Rom, Italien – Gegenwart
Einst legten Reisende nach Rom in Ostia an, der geschäftigen Hafenstadt an der Tibermündung. Aber schon vor Hunderten von Jahren versandete die Hafeneinfahrt; die antike Stadt wurde bedeutungslos und versank, um erst sehr viel später für zukünftige Generationen von Touristen und Archäologen wieder erschlossen zu werden. Heute landeten die Besucher auf dem fünf Kilometer entfernten Flughafen Fiumicino auf der anderen Seite des Flusses. Abby fuhr mit dem Zug nach Rom und quartierte sich in einem kleinen Hotel in Trastevere ein. Sie war furchtbar nervös.
Es war früher Nachmittag. Sie hatte noch Stunden zu vertreiben bis zu ihrem Termin, kaufte sich einen Reiseführer und nahm ein Taxi zum Forum Romanum. Zu ihrer Rechten jenseits eines weiten Ausgrabungsfeldes ragte am Hang des Quirinalhügels ein halbkreisförmiger Ziegelbau auf, die Trajansmärkte, wie der Reiseführer erklärte. Als sie das Innere betrat, konnte sie sich leicht vorstellen, dass dieser Ort früher tatsächlich als eine Art Shoppingcenter genutzt worden war. Sie hatte geglaubt, die meisten antiken Bauwerke seien bis auf die Fundamente verfallen oder hohle Schalen wie das Kolosseum. Dieses Forum aber war erstaunlich gut erhalten. An ein offenes Atrium grenzten, drei Stockwerke hoch und auf Mauerbögen gestützt, riesige Wandelhallen an. Es enttäuschte Abby ein wenig, in ihrem Führer zu lesen, dass zwischen diesen Mauern wahrscheinlich keine Geschäfte, sondern Verwaltungsbüros untergebracht gewesen waren.
Sie schlenderte durch Galerien voller Skulpturen und Fragmente, geborgen aus den Ruinen des Forum Romanum, bis sie die Halle fand, auf die sie es abgesehen hatte. Grabmalarchitektur. An den Wänden ringsum waren Nachbildungen kleiner Grabkammern zu sehen. Abby musste sich bücken, um einen Blick hineinwerfen zu können.
Fragment eines Grabsteins, viertes Jahrhundert AD , stand auf der Legende. Ihr stockte der Atem, als sie darunter die Inschrift abgedruckt sah. UT VIVENTES ADTIGATIS MORTUOS NAVIGATE. Die Lebenden erreicht, wer die Toten navigiert. Sie holte Grubers Zettel aus der Tasche und verglich den Text. Die Zeilen stimmten exakt überein.
Aber das Grab war leer – nichts als eine nackte, schwarze Wand. Ein Schild erklärte in drei Sprachen: Dieses Exponat wurde vorübergehend entfernt.
Auf einem Stuhl in der Ecke saß ein junger Museumswärter. Abby ging auf ihn zu und rang sich ein Lächeln ab. «Sprechen Sie Englisch?»
Er nickte und
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