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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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lächelte freundlich.
    «Wissen Sie, warum dieses Stück nicht zu sehen ist?»
    Seine Miene wurde plötzlich ernst. «Es wurde gestohlen. Eines Nachts vor zwei Monaten. Muss wohl eine ganze Gang gewesen sein, die hier eingebrochen ist.»
    Abbys Magen verkrampfte sich. «Furchtbar.» Sie schaute sich um. Aus dunklen Winkeln blinkten ihr rote Lichter entgegen. «Und die Alarmanlage?»
    «Es waren Profis. Der Hügel hinter uns ist ziemlich steil – es ist relativ einfach, über das Dach einzusteigen. Sie sind durch den Belüftungsschacht geklettert, haben die Alarmanlage ausgeschaltet und – ciao .»
    «Haben sie viel mitgehen lassen?»
    «Nur dieses eine Ding. Wir vermuten, dass sie von einem Sammler beauftragt waren, der exactamente wusste, was er will.» Er schüttelte den Kopf. «Seltsam. Wir haben hier sehr viel wertvollere Gegenstände. Es ist mir schleierhaft, warum sie sich nicht daran vergriffen haben, wo sie sich doch schon Zugang verschafft hatten.»
    «Hat die Polizei einen Verdacht, wer dahinterstecken könnte?»
    «Nicht den geringsten.»
    Sein Funkgerät fing an zu knistern und rief ihn fort. Er stand auf. «Einen schönen Tag noch, signorina .»

    Sie hatte immer noch Zeit totzuschlagen. Es gab eine moderne Straße, die Mussolini durch das antike Herz Roms hatte bulldozern lassen. Abby aber wählte die alte Route, die Via Sacra durch das Forum. Sie kam an eingefallenen Tempeln und zerschlagenen Säulen vorbei und versuchte, ein intaktes Stadtbild zu rekonstruieren und mit Leben zu füllen. Den Senat, wo Brutus Julius Cäsar erstach. Die Kirche von San Lorenzo, ein barockes Gotteshaus, von Säulen umgeben, die einst den heidnischen Tempel von Antoninus und Fausta getragen hatten.
    Über den protzigen Aufbauten des Viktor-Emanuel-Monuments zogen dunkle Wolken auf. Zu Abbys Linken ragten die riesigen Kreuzgewölbe der Maxentiusbasilika empor, ein Monumentalbau, dessen Dimensionen erst wieder mit den großen Bahnhöfen des 19. Jahrhunderts erreicht wurden. Und gleich vor ihr erhob sich das größte Relikt überhaupt: der durchbrochene Kessel des Kolosseums. Obwohl die Saison fast vorüber war, standen immer noch Touristen davor Schlange wie das schaulustige Publikum vor knapp zweitausend Jahren. Abby beachtete sie nicht und steuerte auf den schmutzig weißen Bogen zu, der wie ein nachträglicher Einfall am Rand der großen Plaza stand. Hinter ihr rauschte der Verkehr um die uralte Arena. Sie schaute auf die Uhr: 4:58 Uhr.
    Der Konstantinsbogen, gebaut zur Erinnerung an Konstantins Sieg über Maxentius in der Schlacht bei der Milvischen Brücke, durch den er zum uneingeschränkten Herrscher über das weströmische Reich aufstieg , stand in ihrem Reiseführer zu lesen.
    Konstantin der Große. Der Name war ihr bekannt. Darüber hinaus wusste sie nicht viel mehr über diesen Mann als das, was sie von Gruber erfahren hatte. Das Christentum verdanke diesem römischen Kaiser seinen Durchbruch in Italien und letztlich auf der ganzen Welt. Die vom Reiseführer angebotene Kurzbiographie gab nicht viel her, außer dass er im heutigen Serbien zur Welt gekommen war und seine Mutter die Tochter eines Bordellbesitzers gewesen sein sollte.
    Damit konnte sich Abby nicht zufriedengeben. Seit sie im Krankenhaus das Bewusstsein wiedererlangt hatte, war ihr Konstantin ein fremder, schemenhafter Begleiter, der sie an jeder Ecke grüßte und dann wieder im Schatten verschwand. Die Goldkette mit seinem Monogramm. Das in seinem Trierer Palast zurückgelassene Manuskript aus dem vierten Jahrhundert. Die Textnachricht mit dem Zitat aus der Inschrift. Ein Zufall? Ein Scherz? Bin ich übergeschnappt? Sie hatte den Eindruck, in einem Traum gefangen zu sein und durch ein Labyrinth zu rennen, das sie mit jedem Abzweig vor dieselbe Wand führte.
    Sie schaute zu dem Triumphbogen auf. Bärtige, finster dreinblickende Gestalten in langen Gewändern starrten auf sie herab und schienen ihr etwas mitteilen zu wollen.
    Was hat das alles mit Michael zu tun?
    Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich und drehte sich um. Eine Frau mit ernster Miene, die ihren geschlossenen Regenschirm wie eine Standarte in die Luft hielt, führte eine Gruppe von Touristen auf das Kolosseum zu. Abby musterte die Gesichter, ohne zu wissen, wonach sie eigentlich suchte. Niemand nahm von ihr Notiz. Alle starrten nur auf die Displays ihrer Kameras, während die Reiseführerin sie mit Informationen fütterte, die kaum jemanden interessierten. Sie sprach Englisch. Abby

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