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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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werfe ich ein. «Du könntest doch deine Erklärung allgemein formulieren – Religionsfreiheit für alle, ohne dass eine bestimmte Gruppe genannt wird.»
    «Nein», entgegnet Helena. «Wem verdankst du deine Siege? Wessen Zeichen stand auf einem Schild, als du Maxentius geschlagen hast?»
    Ich durchquere den Raum und schaue zum Fenster hinaus. «Licinius hat mit den Christen nichts im Sinn. Ihm geht es um seine Rückversicherung.»
    «Und wie könnte ich ihn rückversichern?»
    «Biete ihm nichts.»
    Constantiana schreit wütend auf.
    «Nicht mehr, als du ihm bereits gegeben hast», fahre ich fort. «Sage ihm, mehr zu verlangen zeuge von Argwohn.»
    Konstantin lässt sich meine Gedanken durch den Kopf gehen. «Und wenn er sich querstellt?»
    «Er wohnt in deinem Palast, auf deinem Grund und Boden, bewacht von deiner Armee. Es käme einer schweren Beleidigung gleich, wenn er jetzt die Hochzeit platzen ließe.»
    Was sich zwangsläufig daraus ergäbe, spreche ich nicht aus. Ich will Constantiana so kurz vor der Hochzeit nicht brüskieren. Aber sie ist nicht dumm und nutzt die einzige Waffe, die sie hat. Sie bricht in Tränen aus.
    «Kannst du nicht einmal eine Ehe arrangieren, ohne darauf zu schielen, was für dich dabei herausspringt? Es scheint mir fast, du willst deine Christen mit ins Ehebett holen.»
    «Ganz und gar nicht.» Konstantin eilt auf die Schwester zu und nimmt sie in den Arm. «Es ist Licinius, der alles verkompliziert. Aber Valerius hat recht. Ich habe ein faires Angebot gemacht, und dein Gatte sollte das anerkennen.» Er drückt sie. «Er kann nicht wollen, dass du dich ihm entziehst.»
    Zu weinen schickt sich nicht für eine Kaiserin. Tränen verunstalten Constantianas zurechtgemachtes Gesicht. Sechs Sklavenmädchen sind eifrig bemüht, den Schaden zu beheben; sie tupfen und pinseln, bis alle Kummerspuren übertüncht sind. Als sie den Schleier fallen lassen, ist der Sturm aus ihrem Antlitz gewichen, und es strahlt wieder wie die Sonne im Frühling.
    Die Hochzeit nimmt ihren Lauf und wird so üppig gefeiert, wie es Braut und Bräutigam verdienen. Zwei Wochen später ziehe ich in den Osten, um Gelände zu erkunden, das sich zur Stationierung, Versorgung und Kampfaufstellung eines Invasionsheeres bestens eignet.

Konstantinopel – April 337
    «Meine Hochzeit …» Constantiana zittert so sehr, dass auch der Rest an Puder von ihrem Gesicht rieselt. «Fast wäre es mir gelungen, sie zu vergessen.»
    «Es war ein glücklicher Tag.»
    «Der meinem Bruder dazu diente, einen weiteren Krieg vorzubereiten. Das wissen wir beide – im Nachhinein.» Sie schaut mich mitleidig an. «Weißt du eigentlich, dass der Augustus ursprünglich daran dachte, dich mit mir zu vermählen?»
    Ich hebe zu einem förmlichen Protest an, doch sie lässt mich nicht zu Wort kommen. «Manche behaupten, er hätte dich zum Kaiser küren wollen, bevor Fausta wie eine Zuchtsau einen Sohn nach dem anderen warf. Du warst damals ein gutaussehender Mann – und sehr gefährlich. Es gab nicht wenige Frauen im Palast, die sich nächtens in den Schlaf weinten, weil du sie nicht beachtet hattest.»
    «Davon wusste ich nichts», sage ich wahrheitsgemäß.
    Sie setzt wieder ihre Maske auf. Die Tür zur Vergangenheit schließt sich.
    «Du weißt, dass der Augustus nächste Woche zu seinem Feldzug aufbricht. Wenn er fort ist, will ich, dass du mir Bericht erstattest und mitteilst, was du herausgefunden hast.»

    Ich gehe ohne Begleitung nach Hause. Vielleicht sollte ich vorsichtiger sein. Ich bin fast angekommen, als ich sehe, wie sich vor meiner Tür etwas bewegt. Die vielen Jahre im Palast haben mich ängstlich gemacht. Ich halte inne und spähe in die Dunkelheit.
    Da ist jemand.
    «Willst du etwa einen alten Mann ausrauben?», rufe ich. Es war dumm von mir, so stolz gewesen zu sein, auf einen Stock zu verzichten.
    Eine Gestalt tritt ins Licht der Lampe über meiner Tür. Zu meiner großen Erleichterung erkenne ich Simeon.
    «Du hättest drinnen auf mich warten können.»
    Er scheint meine Bemerkung für abwegig zu halten. Ist mein Ruf so miserabel?
    «Heute war jemand in meiner Kirche, der ein Bündel auf den Stufen zurückgelassen hat. Mit einer Nachricht darin. Ich weiß nicht, von wem.»
    Er reicht mir eine Wachstafel. Ich halte sie ins Licht.
    Gaius Valerius Maximus –
    Finde dich morgen in der Abenddämmerung vor dem Standbild der Venus ein. Ich kann dir etwas geben, das dich interessieren wird.
    Kein Name, keine Unterschrift. Das Wachs

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