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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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ist spröde und trocken.
    «Wann wurde die Nachricht gebracht?»
    «Heute Nachmittag.»
    «Wurde gesehen, wer sie brachte?»
    «Nein.»
    Natürlich nicht. Ich sage Simeon, er soll sich morgen wieder bei mir melden, und schicke ihn fort. Der Tag ist zu lang geworden. Bevor ich einschlafe, geht mir Constantiana durch den Kopf. Sie ist frühzeitig gealtert und hat keine Erinnerungen, die sie trösten könnten.
    Meine Hochzeit. Fast wäre es mir gelungen, sie zu vergessen.
    Wie soll es mir je möglich sein, in Konstantinopel einen Mord aufzuklären? Die Stadt ist voller gebrochener Statuen und gebrochener Menschen, zerstört von alltäglicher Gewalt wie Steine unter einem Meißel. Fragt man nach, ist nichts aus ihnen herauszuholen.

[zur Inhaltsübersicht]
    21
    Priština, Kosovo – Gegenwart
    Versteckt in einer Seitengasse, beobachtete Abby das Apartmenthaus auf der anderen Straßenseite, in dem sie wohnte. Schon über eine halbe Stunde stand sie dort, um die Lage zu peilen und Mut zu fassen. Die geparkten Fahrzeuge waren allesamt leer. Hinter den Fenstern bewegte sich nirgends ein Vorhang. Vor zwanzig Minuten hatte sie Annukka mit geschulterter Sporttasche aus dem Haus gehen sehen. Eine Stunde würde sie mindestens fortbleiben.
    Das Herz schlug Abby bis zum Hals, als sie mit schnellem Schritt die Straße überquerte und durch die Haustür schlüpfte. Alles blieb still. Keine Sirene heulte, kein Auto hielt mit quietschenden Reifen an, niemand rief ihren Namen. Als sie ihre Wohnungstür öffnen wollte, sah sie ein Stück Papier unter der Tür liegen.
    Fast hätte sie auf der Stelle kehrtgemacht. Sei nicht albern , ermahnte sie sich. Wenn jemand in ihrer Wohnung auf sie wartete, hätte er sie bestimmt nicht durch eine Nachricht vorgewarnt. Sie schloss die Tür auf und trat ein.
    Die Wohnung war leer. Sie hob den Zettel auf und faltete ihn auseinander.
    Habe erfahren, dass Sie in der Stadt sind. Würde Sie gern zu einem Drink einladen. Jessop. Darunter stand eine Telefonnummer mit kosovarischer Vorwahl.
    Sie erinnerte sich an die Notiz von Michael: Jessop, 91. Sie erinnerte sich an einen ungelüfteten Raum im Auswärtigen Amt, an Mark, der in Unterlagen herumwühlte, während ein Mann mit finsterer Miene und hartem Gesicht aufzeichnete, was sie sagte. Jessop ist von Vauxhall. Sie erinnerte sich an seine letzten Worte, als sie ohne ihre Goldkette das Zimmer verließ. Seien Sie vorsichtig.
    Abby faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in ihre Tasche. Er warf mindestens fünfzig Fragen auf, aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Im Badezimmer fand sie die Autoschlüssel in der Schublade, wohin sie sie vor einem Monat gelegt hatte. Auch der Wagen war noch an seinem Platz vor einem Minimarkt um die Ecke. Sie betrat den Laden, tat so, als interessierte sie sich für Zeitschriften, und behielt dabei die Straße im Blick, bis sie halbwegs sicher sein konnte, dass sie nicht beschattet wurde.

    Auf einer guten Schnellstraße wäre Ferizaj von Priština aus in einer Viertelstunde zu erreichen gewesen. Aber auf der E65 Richtung Süden brauchte sie fast eine Stunde. Sie hätte Zeit zum Nachdenken gehabt, war aber viel zu sehr damit beschäftigt, am Leben zu bleiben. Die zweispurige Marterstrecke war der einzige Korridor, der den Kosovo mit der Außenwelt verband, zu jeder Tages- und Nachtzeit vollgestopft mit LKWs, Bussen, Personenwagen und dazwischen vereinzelten Pferdefuhrwerken. Man kam nur langsam voran, und wenn sich einmal irgendeine Lücke auftat, wurde auf Kamikazeart überholt. Vor den Brücken standen gelbe Schilder, die Panzern eine Höchstgeschwindigkeit vorschrieben und daran erinnerten, dass man sich in einem immer noch besetzten Gebiet befand.
    Camp Bondsteel, die größte US-Basis auf dem Balkan, lag in den hügeligen Ausläufern des spitz aufragenden Ljuboten, den Soldaten besser bekannt unter dem Namen Mount Duke. Abby stellte ihr Auto auf dem Parkplatz ab und folgte einem schmalen Weg zwischen hohem Maschendraht und einer nicht weniger hohen Betonmauer. Zu ihrer Linken erstreckte sich ein Erdwall, dessen Anblick den Gedanken in ihr auslöste, dass sich Militärstützpunkte in ihren wesentlichen Teilen wohl seit Jahrtausenden kaum verändert hatten.
    Das Torhaus war eine fensterlose Lagerhalle mit rot gestrichener Wellblechverkleidung und etlichen Durchleuchtungsgeräten. Als sie eintrat, kam ein lateinamerikanisch aussehender Mann in brauner Uniform auf sie zu. Ein Abzeichen auf dem Ärmel wies ihn als

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