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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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aneinanderreibender Kieselsteine. Er scheint sich wieder zu bewegen. Vorsichtig spähe ich über die Wand. Der Wind trägt mir die Laute entgegen. Ich glaube, etwas zu sehen.
    Auf allen vieren krieche ich an der Wand entlang, über lose Steine, die sich mir in Hände und Knie graben. Weil ich sie nicht sehe, kann ich ihnen nicht ausweichen. Ein Stapel Ziegel droht zu kippen, als ich davorstoße.
    Nicht weit von mir entfernt sehe ich hinter einer Brüstung die Umrisse eines Kopfes, der sich suchend hin und her bewegt. Er weiß nicht, wo ich bin.
    Ich springe auf – und erstarre. Es ist kein Mann, vor dem ich stehe. Es ist ein Eimer an einem langen Seil, das von einem Gerüst herunterhängt. Vom Wind bewegt, schwankt der Eimer, und wenn eine Böe auf ihn trifft, rollen Kieselsteine darin hin und her. Das ist es, was ich gehört habe, nichts anderes.
    Und er wusste es. Er hat auf mich gewartet. Ehe ich einen Finger rühren kann, ist er hinter mir, packt mich beim Arm und zwingt ihn mir auf den Rücken. Er greift an meinem Gesicht vorbei zum Seil, das vom Gerüst hängt, und schlingt es mir um den Hals. Er will mich erdrosseln. Ich wehre mich, doch er ist stärker als ich. Der Eimer prallt auf meine Brust, die Kieselsteine rasseln ein Todesröcheln.
    Und plötzlich werden Rufe laut, Licht flammt auf. Simeon hat die Wachen geholt. Kräftige Hände zerren meinen Widersacher von mir fort. Das Seil löst sich von meinem Hals. Ich sacke ächzend auf die Knie. Als ich mich wieder aufgerafft habe, ist der andere bezwungen und außer Gefecht gesetzt.
    Ich gehe auf ihn zu und betrachte ihn aus der Nähe. Genagelte Stiefel halten ihn am Boden. Er ist ein hagerer Mann mit kurzgeschnittenen grauen Haaren. Aus seiner Nase sickert Blut. Trotzdem grinst er stolz und überheblich, als wäre ihm diese Miene nicht vom Gesicht zu wischen.
    «Warum hast du den Koffer an der Statue abgestellt?»
    «Mein Herr hat es so gewollt.»
    «Wer ist dein Herr?»
    Er schnieft, fährt mit dem Ärmel übers Gesicht und verschmiert dabei das Blut. Dunkle Augen starren trotzig zu mir auf.
    Einer der Wachsoldaten tritt ihm mit dem Stiefel auf die Hand und verlagert sein Gewicht darauf. Etwas knackt; der Mann schreit, aber nicht etwa einen irren Schmerzensschrei, sondern einen Namen.
    «Aurelius Symmachus!»

[zur Inhaltsübersicht]
    23
    Kosovo – Gegenwart
    «Kurz vor seinem Tod tauchte Michael mit einem Skelett aus der Römerzeit auf, rund siebzehnhundert Jahre alt. Wie er darangekommen ist, weiß ich nicht. Ein amerikanischer Soldat namens Sanchez half ihm beim Transport.»
    Jessop saß neben Abby auf dem Beifahrersitz und schaute nachdenklich drein. Es war sein Wagen, in dem sie fuhren, aber nach drei Beinaheunfällen im dichten Verkehr an diesem Montagvormittag hatte Abby darauf bestanden, das Steuer zu übernehmen. Priština lag hinter ihnen.
    «Wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist, hat Dragović ein ausgeprägtes Faible für das alte Rom», sagte Jessop. «Er ist versessen auf dieses Thema. Wussten Sie, dass er sich gern ‹Imperator› nennen lässt? Der Name Zoltán leitet sich übrigens aus dem türkischen Wort für Sultan ab, und wie es heißt, hält sich Dragović für eine Reinkarnation Caesars. Falls Michael mit ihm unter einer Decke steckte – und alles spricht dafür –, wäre Dragović seine erste Adresse gewesen, an die er sich mit einem Fund aus römischer Zeit gewandt hätte.»
    Falls Michael mit ihm unter einer Decke steckte. Falls der Mann, den du geliebt hast, korrupt war und von dem meistgesuchten Mann des Balkan ausgenutzt wurde … Allein die Vorstellung war so schrecklich, dass Abby sie nicht wahrhaben wollte. Also musste sie sie wie ein schreckliches Gift von sich fernhalten.
    «Ich war in zwei Häusern dieses Mannes.» Auch das ein entsetzliches Faktum. «Dragović besitzt mehr römische Kunst als das Britische Museum. Was hätte Michael finden können, das er unbedingt für sich haben wollte?»
    «Nach unseren Informationen stammt Ihre Kette aus der Zeit Konstantins des Großen, also aus dem frühen vierten Jahrhundert. Sagt Ihnen der Name etwas?»
    «Mmmm.»
    Er weiß nichts von dem Trierer Manuskript , dachte sie. Sie hatte immer noch Grubers Transkription auf dem zusammengefalteten Zettel in ihrer Jeanstasche und bislang kein Wort darüber verloren. Nach dem Verlust ihrer Kette würde sie zumindest daran festhalten, solange es ihr möglich war.
    «Wie gesagt, Dragović hat so viele Kunstschätze, dass es ihm auf eines

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