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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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mehr oder weniger nicht ankommen kann. Auch nicht auf noch mehr Geld.» Jessop schaute zum Fenster hinaus auf Schrottplätze und Baustellen, die die Straße säumten. «Deshalb muss das, was Michael gefunden hat und wofür er sich so ins Zeug legte, von ganz besonderer Bedeutung für ihn gewesen sein.»
    Abby schaltete die Scheibenwischer ein, denn es hatte zu regnen angefangen. «Vielleicht weiß Specialist Sanchez ein wenig mehr.»

    Es regnete in Strömen, als sie den Wagen auf dem Parkplatz von Camp Bondsteel abgestellt hatten und durch die Gasse zwischen Maschendraht und Betonmauer auf den Lagereingang zurannten, im Zickzack um weiß gestrichene Panzersperren herum, die wie Zähne den Zugang markierten. Bis auf die Haut nass, erreichten sie die Wachstation.
    Die Wachposten hatten gewechselt. Keiner erkannte Abby wieder, und als Jessop seinen Passierschein zeigte, wurden sie anstandslos durchgewinkt. Ein Hauptmann in Dienstuniform mit hochgeschlagenem Kragen nahm sie in Empfang und führte sie auf einen grünen Toyota-Geländewagen zu.
    «Sie sind mit Specialist Sanchez verabredet?»
    «Verabredet nicht, aber wir würden gern mit ihm sprechen», antwortete Jessop.
    «Er ist in South Town. Ich fahre Sie schnell rüber.»
    Abby nahm auf der Rückbank Platz und starrte zum Fenster hinaus. Die Fahrt ging über breite, gewalzte Lehmpisten. So weit das Auge reichte, war die sanftgeschwungene Hügellandschaft von einem starren Raster aus geradlinig verlaufenden Fahrzeugkolonnen, Häuserreihen und Straßen überzogen.
    In seinen riesigen Ausmaßen wirkte der Komplex öde und verlassen. Während der mehrminütigen Fahrt entlang brauner Kasernen war keine Menschenseele zu sehen. Auch keine Panzerfahrzeuge oder Humvees – nur zivile Geländewagen wie der, in dem sie saßen. Dann kamen sie an einer Reihe riesiger Zelte vorbei, die sich als Hubschrauber-Hangars herausstellten: seltsam unbeständige Provisorien auf diesem durchstrukturierten Gelände.
    «Ist es wahr, dass Sie sogar einen Burger King hier haben?», fragte Jessop den Hauptmann.
    «Und ein Taco Bell. Aber ich war da noch nie, obwohl ich schon elf Monate hier bin.» Er lachte. «Ja, es ist wie zu Hause.»
    «Wo kommen Sie her?»
    «North Dakota.»
    Möglich, dass er nicht die geringste Lust hatte, auf der anderen Seite der Welt, in einem Land, das vielleicht so groß war wie eine durchschnittliche Farm seiner Heimat, einen uralten Streit zu schlichten, doch er ließ es sich nicht anmerken. Abby dachte an das alte Rom und fragte sich, ob es während der letzten Tage des Imperiums ähnlich zugegangen war. Ein paar Soldaten fern der Heimat, eingesperrt in einer Festung, die für größere Zeiten gebaut worden war. Oder vielleicht war Grenzland immer gleich: einsam und entlegen, belagert von Barbaren und verregnet.
    Der Hauptmann parkte den Geländewagen am Straßenrand und führte sie auf eine Reihe von Holzbaracken zu, die über eine lange Veranda miteinander verbunden waren. Vor einer Tür hielt er an, klopfte und trat ein.
    Specialist Anthony Sanchez saß auf einer Pritsche und spielte vor einem Vierzig-Zoll-Bildschirm, der auf einem Metallhocker stand, mit einer Xbox. Er war großgewachsen, hatte breite Schultern und trug ein beigefarbenes T-Shirt, das ausreichend Platz bot für seine im Fitnessstudio erworbenen Muskeln. Er schaute sich um, als die Tür aufging. Auf dem Bildschirm schleuderte ein Rennwagen von der Piste und explodierte in einem Feuerball.
    «Ich vermute, Sie sind der Grund, warum ich heute nicht nach draußen sollte.» Der Schirm seiner Camouflage-Kappe war tief in die Stirn gezogen und überschattete seine Augen. Seine Stimme war ein wenig heiser, sein Gesicht überraschend fein geschnitten für einen so kräftigen Burschen.
    «Ich warte im Wagen», sagte der Hauptmann.
    Sanchez schaltete den Bildschirm aus. Ohne dessen Licht war es in dem Raum so dunkel, dass man ihn kaum sehen konnte. Er stand auf und räumte eine leere Pizzaschachtel von der Pritsche gegenüber. «Tut mir leid, Tee oder Gebäck kann ich Ihnen nicht anbieten.»
    Jessop nahm Platz. «Erzählen Sie uns von Michael Lascaris.»
    Der Kappenschirm schwenkte von Abby fort zu Jessop und senkte sich dann Richtung Boden. «Was wollen Sie wissen?»
    «Sie haben gemeinsam ein Skelett in die Pathologie gebracht», sagte Abby. «Auf dem Einlieferungsschein steht Ihre Unterschrift.»
    Die Kappe bewegte sich nicht. Regen trommelte auf das Dach der Hütte. Sanchez gab einen leisen Zischlaut

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