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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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so sehr an, dass sie sich schon allein davon erschöpft fühlte.
    «Da war ein Mann mit einer Pistole», sagte sie vorsichtig und wählte ihre Worte wie ein Kostüm, das ihr nicht zu passen schien.
    «Erinnern Sie sich an ihn?»
    Sie schloss die Augen und versuchte, Bilder heraufzubeschwören. «Ein blauer Anzug. Er kam durch die Tür.»
    «In der Villa?»
    «Hier. In diesen Raum.»
    Norris lehnte sich seufzend zurück. «Das war heute Morgen der Polizist, der vor Ihrer Tür postiert ist. Er hörte Sie schreien und kam herein, um zu sehen, ob mit Ihnen alles in Ordnung ist.»
    Ein Wachposten? «Stecke ich in Schwierigkeiten?»
    «Sie erinnern sich wirklich an nichts?»
    Sie wünschte, er würde ihr nicht immer wieder diese Frage stellen, und ließ ihren Kopf auf das feste Kissen zurückfallen. «Klären Sie mich doch einfach auf.»
    Er warf einen Blick zur Tür, als wollte er sich irgendeine Erlaubnis einholen. Abby spürte wieder Angst aufwallen. Ist da noch jemand? Sie hob den Kopf, konnte aber niemanden sehen.
    «Auf Sie ist geschossen worden. Die Polizei hat Sie halbtot am Tatort vorgefunden. Überall Blut und Sie von einer Kugel getroffen. Die Beamten fanden Ihren Pass und haben uns informiert. Was Ihren Ehemann angeht …»
    Ihr Magen verkrampfte sich. «Was ist mit ihm?»
    «Sie erinnern sich nicht?»
    Sie schüttelte den Kopf. Norris warf wieder einen verstohlenen Blick zur Tür.
    «Es fällt mir nicht leicht, aber ich muss Ihnen leider sagen, dass Ihr Mann tot ist.»
    «Hector?»
    Jetzt stutzte Norris. «Wer ist Hector?»
    Ich weiß nicht! , wollte sie schreien. Der Name war ihr plötzlich in den Sinn gekommen, völlig unerwartet und wie eine gespenstische Eingebung. «Ist er denn nicht mein Mann?»
    Noch während sie dies sagte, wurde ihr der Irrtum bewusst. Ich bin doch gar nicht verheiratet, dachte sie. Und dann, mit einem gequälten Lächeln: Daran müsste ich mich schließlich erinnern.
    Norris schaute auf ein Stück Papier. «Laut Reisepass war sein Name Michael Lascaris.»
    Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. Sie fiel aufs Bett zurück. Der Monitor beschleunigte auf Millionen Meilen pro Stunde. Piep. Und ein roter Sportwagen raste durch Berglandschaften. Piep. Eine Bucht in nächtlichem Schatten und ein heller Pool und Gestalten, die aus toten Augen von ihren Sockeln herabstarrten. Piep piep. Ein Mann mit Pistole. Ein Kampf. Der Schrei, als Michael von den Klippen stürzte – ihr Schrei. Piep piep piep piep …
    Jemand klopfte an die Tür – kein Mann mit Pistole, sondern eine Frau in grünem Overall und mit einer Spritze in der Hand. «Augenblick», hörte sie Norris sagen. «Geben Sie ihr eine Chance.»
    Doch die gab man ihr nicht. Kräftige Hände klammerten sich um ihren Arm, sie spürte einen Einstich. Der Monitor beruhigte sich.
    Dann war es still.

    «Sie erinnern sich also an Michael Lascaris.»
    Der Monitor piepte jetzt stetig wie ein Metronom, ein sanftes Andante. Man hatte Abby in ihrem Bett aufgerichtet, doch bewegen konnte sie sich immer noch nicht. Der rechte Arm, die Schulter und ein Teil ihres Oberkörpers steckten in einem Gipskorsett. Irgendwo da drunter war, wie man ihr gesagt hatte, die Einschusswunde.
    Du bist angeschossen worden. Sie konnte es immer noch nicht glauben. Geschossen wurde auf andere – andere wurden Opfer von Verbrechen. In ihrem alten Job waren ihr zwar hinreichend viele Verletzungen zu Gesicht gekommen, um zu wissen, dass Gewalt nicht nur im Fernsehen oder Kino vorkam, doch hatte sie stets Abstand dazu halten können.
    «Erinnern Sie sich an Michael?»
    «Er fuhr einen Porsche.»
    Norris’ Papierzettel waren zu einem Aktenordner angewachsen. Er blätterte in den Seiten.
    «Einen roten Porsche Targa, Baujahr 1968. Britisches Kennzeichen. Ist das richtig?»
    Abby zuckte mit der heilen Schulter. «Er war rot.»
    Dass ihre Antwort patzig klang, war von ihr nicht beabsichtigt. Norris reagierte gereizt. Er stand auf und wedelte mit dem Aktenordner durch die Luft.
    «Ich weiß, es geht Ihnen schlecht, und Sie können von Glück sagen, dass Sie überhaupt noch am Leben sind. Trotzdem sollten Sie die Sache ernst nehmen. Da bricht jemand in ein Haus ein und fällt über zwei europäische Diplomaten her. Das ist nicht lustig.»
    Er ist nicht eingebrochen, dachte Abby. Er war bereits im Haus, draußen am Pool, zusammen mit Michael.
    «Die Montenegriner rennen kopflos herum, als würde die Welt untergehen. Sie fürchten, der Fall könnte in Brüssel einen Sturm der

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