Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
Osiris wollten, dass möglichst viele uns sehen. Das war sicher auch mit ein Grund, weshalb wir die Rüstung anlegen mussten.« Sophie nickte den Leuten zu, die sich um sie scharten. »Schau dich doch um – wer trägt sonst noch eine Rüstung?«
»Na ja, die Wachen –«, begann Josh.
Sophie fiel ihm ins Wort. »Außer den Wachen – die übrigens alle schwarz tragen.«
»Dann nur wir«, gab er zu. »Und du hast mal wieder recht, was ich gar nicht gut finde.«
»Rüstungen in Gold und Silber sind zudem nicht gerade unauffällig.«
»Sie führen uns vor«, stellte Josh leise fest. Dann runzelte er die Stirn. »Und irgendwie gefällt mir das nicht. Ich komme mir vor wie ein Tier im Zoo.«
Sophie nickte. »Genau – wie die Hauptattraktion. Alle sollen wissen, dass wir hier sind.«
»Hätte ich nur meine Sonnenbrille mitgebracht«, meinte Josh unvermittelt. Dann grinste er. »Aber wahrscheinlich wäre meine Erscheinung dann nicht mehr halb so beeindruckend.«
»Rüstung und Sonnenbrille.« Auch Sophie musste lächeln. »Es wäre ein interessantes Bild, so viel steht fest.«
»Aber ich wünschte wirklich, ich hätte meine Kamera dabei.« Josh verrenkte sich fast den Hals, um den vor ihnen aufragenden Bau besser in Augenschein nehmen zu können. »Die Pyramide ist der Wahnsinn. Schau dir nur die Tür an!«
Direkt vor ihnen war der gewaltige Haupteingang zur Sonnenpyramide. Hundert Anpu standen Schulter an Schulter davor. Von ihren Speeren ging ein blassblaues Licht aus. Zu beiden Seiten des Tors führten Treppen mit unzähligen Stufen scheinbar bis hinauf in den Himmel. Die Abendsonne färbte die glatten Steine blutrot und golden.
»Ob sie wirklich aus echtem Gold ist, was meinst du?«, fragte Josh.
»Alles andere ist aus echtem Gold«, antwortete Sophie. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sie nur mit Goldfarbe angepinselt wurde, oder?«
Während die Zwillinge sich dem Eingang näherten, rückte die Menge dichter heran und stellte sich in zwei langen Reihen zu beiden Seiten des Wegs auf.
»Das müssen die Älteren von Danu Talis sein«, murmelte Sophie.
Keine der Gestalten war ganz und gar menschlich und die meisten waren halb unter ledernen Kapuzenumhängen oder Tüchern verborgen. Hier und da bekam man Fell oder ledrige Haut zu sehen, eine zottige Klaue, das blutunterlaufene Auge eines Tieres oder ein Horn. Ein paar stellten aber auch stolz zur Schau, was der Wandel aus ihnen gemacht hatte, zeigten die erschreckenden Veränderungen und bizarren Auswüchse ihrer Körper.
»Schau jetzt nicht hin«, warnte Josh, »aber auf meiner Seite ist eine Frau mit Flügeln. Und Vogelkrallen«, fügte er staunend hinzu.
»Das ist Innana.« Sophie blickte sich um und nickte. »Ja, Innana. Eine der am meisten geachteten Älteren. Mächtig, überaus gefährlich, aber keine Feindin der Menschen. – Die Erinnerungen der Hexe«, erklärte sie ihrem Bruder rasch, bevor er fragen konnte, woher sie das wusste.
»Dann nehme ich an, dass du alle hier kennst. Könnte ganz hilfreich sein.«
»Die meisten kenne ich wahrscheinlich. Ich habe versucht, die Gedanken der Hexe auszublenden – Johanna von Orléans hat mir gezeigt, wie es geht. Aber manchmal kommen bruchstückhafte Erinnerungen durch, wie zum Beispiel Namen. Oder ich erinnere mich an belanglose Kleinigkeiten, die die Hexe im Kopf hatte.« Sophie legte den Kopf leicht schräg. »Inanna hält sich Löwen und riecht deshalb immer nach Raubkatzen, feuchtem Stroh und Dung. Die Hexe hat diesen Geruch gehasst. Und sie war allergisch gegen Katzen – sie musste ständig niesen.«
Bei der Vorstellung, dass die Hexe allergisch auf etwas reagierte, musste Josh laut lachen.
»Sie hat auch Nesselsucht bekommen«, erklärte Sophie grinsend. Dann musste sie ebenfalls lachen.
»Sehen alle Älteren irgendwann aus wie Monster?«, wollte Josh wissen, als sie in den Schatten der Pyramide traten. Die Temperatur fiel merklich und der riesige goldene Bau dämpfte das Geräusch ihrer Schritte.
Sophie nickte. »Die meisten. Es gibt nicht viele Ältere, die der Wandel … hm … nicht auf irgendeine Weise negativ verändert hat …« Sie hielt inne, als sie merkte, worauf ihr Bruder hinaus wollte.
Josh wies mit dem Kinn auf Isis und Osiris, die weiter vorn geduldig auf die Zwillinge warteten. Vor der riesigen Tür sahen sie aus wie Zwerge. »Wie steht es dann mit diesen beiden?«, fragte er. »Sie sehen nicht verändert aus.«
Sophie schüttelte den Kopf. »Doch, doch, sie sind
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