Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
Halsschlagader und suchte nach dem Puls. Er fand keinen, spürte aber, dass der Ältere sich rührte. »Du lebst«, stellte er erleichtert fest.
»Was hast du denn gedacht?« Prometheus stemmte die Absätze in den Boden und setzte sich auf. »So ein kleiner Speer bringt mich nicht um.«
»Nur um das klarzustellen: es waren zwei Speere und sie waren nicht klein. Wie fühlst du dich?«
»Als hätten mich gerade zwei Speere durchbohrt.« Prometheus’ Brustpanzer war eingedrückt und hatte zwei Löcher. Er presste beide Hände auf die Brust und sein gesamter Körper glühte rot. Für kurze Zeit überlagerte Anisduft den Geruch von Salz und Fleisch.
Metall knirschte im Nebel, ein hohes, durchdringendes Geräusch.
Der Ältere wurde vor den Augen des unsterblichen Japaners sichtlich älter. Sein Haar wurde schneeweiß, Falten gruben sich in seine Stirn sowie rechts und links von Nase und Mund.
Irgendwo zerbarst Glas und die Brücke vibrierte, als erneut Metall schepperte.
Niten streckte die Hand aus und half dem Älteren auf die Beine. Prometheus strich über seine Rüstung, die Löcher schlossen sich, sie war wieder intakt. »Ich fürchte, noch einmal kann ich das nicht machen. Wie steht’s mit dir?« Mit zusammengekniffenen Augen schaute er Niten an.
»Ich habe noch ein wenig Aura-Energie übrig, allerdings nicht mehr viel. Es reicht vielleicht noch für eine Heilung, wenn die Wunde nicht zu tief ist.«
»Wenigstens ist dein Haar nicht grau geworden.«
»Oh, meines wird wohl schwarz bleiben, bis ich sterbe. Deines ist übrigens nicht mehr grau«, informierte Niten seinen Freund. »Es ist weiß.«
»Rot hat mir immer gut gefallen.«
Wieder das Kreischen von Metall.
Niten legte eine Hand auf den Wagen neben sich. Er vibrierte. »Sie nehmen die Barrikade auseinander«, vermutete er.
Prometheus nickte. »Das würde ich auch tun. Ich frage mich nur, ob sie weiterkämpfen oder einfach um uns herumgehen und in die Stadt einfallen.«
»Sie werden kämpfen«, antwortete Niten im Brustton der Überzeugung. »Wir haben sie beleidigt.«
»Beleidigt? Womit denn?«
»Weil wir nicht schnell genug gestorben sind. Es handelt sich um berufsmäßige Krieger. Ich habe mein Leben lang gegen ihresgleichen gekämpft. Sie halten sich für unbesiegbar. Das macht sie arrogant, aber auch dumm. Und meiner Erfahrung nach machen dumme Leute Fehler. Ein vernünftiger Befehlshaber würde ein paar hier zurücklassen, damit wir beschäftigt sind, und den Rest seiner Armee in die Stadt verlegen. Aber ihr Stolz lässt es nicht zu, dass sie gehen. Jetzt müssen sie uns umbringen, und wem es gelingt, wird mit Ehren überhäuft.« Er hielt inne. »Warum grinst du?«
»Ich gehe davon aus, dass irgendwo im Nebel ein Sparten-Kommandant seiner Drakon-Truppe fast genau dasselbe sagt.«
»Er würde einen Fehler machen«, meinte Niten. »Wir sind sehr viel gefährlicher als die Sparten.«
Prometheus lächelte wehmütig. »Ich weiß nicht, ob ich dem noch zustimmen kann.«
»Doch, das sind wir. Wir haben einen guten Grund, hier zu sein. Meiner Erfahrung nach gibt es keinen gefährlicheren Krieger als einer, der weiß, wofür er kämpft. Wir müssen uns jetzt entscheiden. Entweder hier bleiben und kämpfen …«
»… oder zum Angriff übergehen.« Der Ältere schaute in den Himmel und versuchte ungefähr abzuschätzen, wie spät es war, doch der Nebel verdeckte die Sterne. »Es tut mir nur leid, dass wir sie nicht länger aufhalten konnten.«
»Sie sind immer noch hier. Jede Minute, die wir sie von der Stadt fernhalten, ist ein Sieg für uns. Solange wir hier stehen, werden sie die Barrikade auseinandernehmen und uns angreifen. Doch wenn wir uns jetzt in Bewegung setzen, haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite. In ihrer Arroganz kommen sie doch nie auf die Idee, dass wir angreifen könnten«, meinte Niten. Die Fingerspitzen seiner linken Hand prickelten und er schüttelte sie, damit wieder Blut hineinfloss.
»Einverstanden. Wir greifen an. Aber wir müssen zusammenbleiben«, erwiderte Prometheus rasch. »Wenn wir uns trennen, haben sie leichtes Spiel. Wir versuchen, ganz frech mitten durch sie hindurch auf die andere Seite der Brücke zu gelangen. Da sind sie erst mal weg von der Stadt und wir werden sehen, ob wir sie bis Sonnenaufgang beschäftigen können.«
Niten lächelte breit, als sie sich in Bewegung setzten.
»Für jemand, der seinem sicheren Tod entgegengeht, siehst du ziemlich vergnügt aus«, bemerkte
Weitere Kostenlose Bücher