Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
über dieses Paar in Gold und Silber weißt.«
»Ich weiß nur das, was ich dir schon gesagt habe«, antwortete Anubis. »Als meine Spione mich über die Ankunft von Isis und Osiris informiert haben, bin ich auf den Balkon gegangen, weil ich mir das Flugzeug anschauen wollte. Ich will es unbedingt haben, es ist fantastisch.«
»Anubis …«, warnte Bastet.
»Da habe ich die Zwillinge gesehen.«
»Du weißt doch überhaupt nicht, ob es Zwillinge sind«, fauchte sie. »Hör auf, es zu behaupten.«
»Ich weiß, dass du mich für blöd hältst …«, begann Anubis. Als er den Blick seiner Mutter sah, redete er rasch weiter: »Ich habe einen jungen Mann und eine junge Frau gesehen, und wenn du mich fragst, waren es Humani. Sie trugen teure und allem Anschein nach urzeitliche Rüstungen in Gold und Silber.«
»Wer hat was getragen?«, wollte Bastet wissen.
»Der Junge trug natürlich Gold und das Mädchen Silber.«
»Beschreibe sie mir.«
»Das hab ich doch gerade – ein Junge und ein Mädchen.«
»Haarfarbe, Augenfarbe.« Bastet umschloss seinen Arm so fest, dass es wehtat.
»Sie waren blond. Ihre Augen habe ich nicht gesehen, ich war zu weit weg. Aber mir ist aufgefallen, dass der Junge größer war als das Mädchen. Das Alter von Humani lässt sich nur schwer schätzen, ich würde sagen, sie waren vielleicht fünfzehn oder sechzehn Sommer.«
»Woher weißt du, dass es Humani waren?«
»Weil es unter den Älteren keine Kinder gibt«, erinnerte er sie – und machte sich darauf gefasst, dass sie für diese Frechheit den Griff um seinen Arm wieder verstärkte.
»Was haben Isis und Osiris nur vor?«, überlegte Bastet laut. »Die Rüstungen in Gold und Silber sind eine ganz klare Beleidigung. Sie sollen uns daran erinnern, dass unsere Familie die Insel nicht immer regiert hat.«
»Hast du nicht gesagt, Isis und Osiris würden mich unterstützen?«
»Wen sollten sie sonst unterstützen?«
»Vielleicht haben sie ja eigene Kandidaten.«
Bastet begann den Kopf zu schütteln, hielt dann aber inne. »Vielleicht bist du doch nicht so dumm, wie du aussiehst.«
Anubis erwiderte nichts darauf, da er nicht sicher war, ob es sich um ein Kompliment handelte.
Am Ende des Flurs nahmen zwei Anpu in schwarzer Rüstung Haltung an und rissen eine zweiflügelige weiße Quarzkristalltür auf. Das im Glas eingeschlossene Tentakelwesen öffnete träge sein eines Auge und schloss es dann wieder.
Bastet und Anubis traten hinaus auf einen Hof mit goldfarbenem Sand. Früher war hier einmal ein herrlicher Garten gewesen, doch bei ihren Wutanfällen hatte Bastet die seltenen Blumen und Pflanzen so oft ausgerissen, dass Anubis die Gärtner angewiesen hatte, nur noch Kakteen und stachlige Sukkulenten zu setzen, Pflanzen also, die sie wahrscheinlich nicht so ohne Weiteres ausreißen würde. Eine Kutsche wartete, eine riesige schimmernde Kugel, gefertigt aus einer einzelnen Perle, die Anubis aus einem wasserreichen Schattenreich mitgebracht hatte. Zwei Albino-Säbelzahntiger, eine von Anubis’ neuen Züchtungen, waren vor die Kutsche gespannt. Ihre Reißzähne waren wie bei Elefanten nach oben gebogen.
Anubis öffnete die Tür und hielt Bastet die Hand hin. Sie ignorierte sie und stieg ohne Hilfe ein.
»Vielleicht sind es die legendären Zwillinge«, vermutete Anubis naiv, als er hinter seiner Mutter in die Kutsche stieg.
»Mach dich nicht lächerlich«, fauchte sie. »Wo hätten Isis und Osiris die denn finden sollen? Dein Vater und ich haben das Geschlecht schon vor tausend Jahren ausgerottet.«
Schockiert wandte Anubis sich seiner Mutter zu. Im selben Moment zogen die Tiger an und drückten ihn gegen die Rückenlehne. Einen Kutscher brauchten sie nicht. Die Raubkatzen waren so programmiert, dass sie den Weg zur Sonnenpyramide ganz allein fanden. »Das wusste ich nicht«, sagte er.
»Nur wenige wissen es. Und ich will nicht, dass du es herumerzählst.« Sie drehte den Kopf weg und stützte das Kinn auf die linke Pfote. Im Licht der Abendsonne, das durch die durchscheinenden Wände der Perlenkutsche drang, schrumpften ihre Pupillen zu winzigen Pünktchen zusammen. Ganz still saß sie da und zerschnitt mit den scharfen Krallen der anderen Hand gedankenverloren den als unzerstörbar geltenden Lederbezug der Sitze. Anubis beschloss, die nächsten Sitze aus Stein meißeln zu lassen.
»Falls Isis und Osiris andere Anwärter gefunden haben«, überlegte Bastet leise, »warum präsentieren sie sie uns dann schon jetzt? Das ergibt
Weitere Kostenlose Bücher