Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
drei Gestalten, die langsam vorbeischwebten. »Das siehst du nicht alle Tage.«
Endlich gelangten sie zur Ostseite, die bereits im tiefen Schatten lag. Dort saß Johanna von Orléans auf einer Stufe. Sie hatte die Augen geschlossen, die Hände lagen mit den Handflächen nach oben in ihrem Schoß. Sie öffnete die Augen, schenkte den dreien ein strahlendes Lächeln und neigte dann den Kopf. »Hübsche Rüstung, Sophie.« Während sie das sagte, breitete sie die Arme aus. Plötzlich lag Lavendelduft in der Luft und ihre silberne Rüstung legte sich um ihren Körper.
»Was tun sie hier?«, fragte Sophie.
»Sie sind gekommen, um euch zu beschützen«, erklärte Tsagaglalal. Langsam näherten sie sich dem Dach der Pyramide. »Sie halten euch die Anpu so lange es geht vom Hals. Aber zögert nicht zu lang.«
»Was redest du da?« Josh begann zu zittern, so viel Kraft kostete es ihn, das Luftkissen schweben zu lassen. »Wie weit noch? Ich kann uns nicht mehr lang in der Luft halten.«
»Setz uns auf den Stufen ab«, befahl Tsagaglalal. »Jetzt.«
Sie hatten die steinernen Stufen kaum erreicht, als Josh zusammensackte. Sophie und Tsagaglalal halfen ihm das letzte Stück zum Dach der Pyramide hinauf …
… und im selben Moment landete das Kristallvimana von Isis und Osiris auf der Plattform.
»Dann ist es jetzt so weit«, murmelte Tsagaglalal. »Jetzt entscheidet ihr über das Schicksal der Welt – dieser Welt sowie aller anderen Welten und Schattenreiche.« Sie griff in ihre Rüstung, zog eine kleine Smaragdtafel hervor und gab sie Josh. »Aber bevor ihr eure endgültige Entscheidung trefft, solltet ihr das hier lesen.«
»Was ist es?«
»Ein Abschiedsgeschenk von Abraham dem Weisen. Es ist die allerletzte Botschaft, die er geschrieben hat.« Sie blieb am Rand der Plattform stehen, drehte sich zu den Zwillingen um und ergriff mit einem traurigen Lächeln ihre Hände. Ihre großen grauen Augen schimmerten feucht im Licht der untergehenden Sonne. »Ich darf hoffen, euch in zehntausend Jahren wiederzusehen. Seid dann nett zu eurer alten Tante Agnes und denkt immer daran: Sie liebt euch sehr.« Sie küsste die Zwillinge auf die Wange, wandte sich ab und ging zu Prometheus hinunter. Josh und Sophia blieben allein mit Isis und Osiris auf dem Dach zurück.
Josh blickte seine Schwester an. »Nur du und ich.«
»Wie immer.«
Dann gingen sie nebeneinander zu dem Vimana.
KAPITEL EINUNDSIEBZIG
T sagaglalal lief auf die Brücke.
Ihre Aura leuchtete im Nebel in einem kalten Weiß und brannte ihn weg. In der wabernden feuchten Luft um sie herum entstand ein Loch. Sie rannte in den schmalen Durchlass zwischen den Barrikaden aus aufgetürmten Wagen und wusste sofort, was Niten und Prometheus hier versucht hatten. Sie sah die zerbrochenen Speere auf dem Boden und dann das Blut. Hier hatten sie gekämpft und waren verletzt worden. Dort, wo sie sich geheilt hatten, hing noch der Duft ihrer Auren in der Luft, doch er war leicht säuerlich und bitter – ein sicheres Zeichen dafür, dass sie sehr geschwächt waren.
Aus dem Nebel zu ihrer Linken stürmte ein Sparten-Krieger. »Was haben wir denn da?«, fragte er kichernd. »Frischfleisch zum …«
Tsagaglalals gefährliches Khopesh durchschnitt die Luft und er fiel, ohne den Satz zu beenden.
Jetzt bewegte sich vor ihr etwas. Sparten stürmten mit Schwertern und Speeren über die Brücke auf sie zu. Sie waren schnell, schneller als jeder Mensch, doch Tsagaglalal erledigte sie, ohne stehen zu bleiben. Vor langer Zeit, als es auf der Erde noch ganz anders ausgesehen hatte, noch vor dem Fall von Danu Talis, war sie von einigen der besten Krieger aller Zeiten ausgebildet worden. Später, als man sie Myrina nannte und sie die gefürchtetsten Krieger sämtlicher Schattenreiche befehligte, gab sie ihre Fertigkeiten an zwei Mädchen weiter, die dieser Armee angehörten: Scathach und Aoife.
Tsagaglalal lief am letzten Wagen vorbei. Die Brücke wies da, wo die Barriere auseinandergerissen worden war, tiefe Rillen auf. Sie nahm an, dass Niten und Prometheus sich entschlossen hatten anzugreifen, nachdem ihnen klar geworden war, dass die Kreaturen die Barriere niederreißen und sie womöglich überrennen würden.
In der Luft hingen ein Hauch von grünem Tee und die leiseste Ahnung von Anis. Und dann sah sie vor sich im dichten Nebel eine winzige Spur Blau und Rot. Tsagaglalal rannte darauf zu. Ein verwundeter Sparte kam ihr mit dem Ausdruck tiefster Verwunderung entgegengewankt. Offenbar
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