Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
jahrhundertelang in allen Schattenreichen nach Gold und Silber gesucht. Josh haben wir über dreißigtausend Jahre vor dir in einer Siedlung von Neanderthalern entdeckt. Dich haben wir irgendwo in der Steppe im heutigen Russland gefunden. Das war Mitte des zehnten Jahrhunderts … Oder war es im neunten?«
»Im zehnten, glaube ich«, warf Osiris ein.
»Wir brachten euch beide an einen sicheren Ort, in ein Schattenreich, wo die Zeit nicht vergeht. Dort wart ihr wie in einem Kokon von allem abgeschottet. Als dann alles bereit war, brachten wir euch zusammen auf die Erde des zwanzigsten Jahrhunderts.«
Sophie fürchtete, gleich in Ohnmacht zu fallen oder zusammenzubrechen, doch Josh stützte sie.
»Warum?«, fragte er leise.
»Ihr wart Gold und Silber«, antwortete Osiris lapidar. »Die reinsten Auren, die uns bei unserer jahrtausendelangen Suche je begegnet waren. Wir konnten euch doch nicht in irgendeiner primitiven Hütte verrotten lassen.«
»Ihr habt uns gekidnappt«, murmelte er.
Isis und Osiris lachten. »Na ja, gekidnappt ist ein wenig hochgegriffen«, sagte Osiris. »Verglichen mit dem, was euch erwartet hätte, haben wir euch unvorstellbaren Luxus geboten. Wir waren eher Eltern für euch, als eure leiblichen Eltern das je gewesen wären. Habt ihr eine Ahnung, wie hoch die Lebenserwartung eines neugeborenen Neanderthalers war oder eines Kindes in der vereisten Steppe Russlands? Wir sind zwar nicht eure leiblichen Eltern, aber wir haben euch das Leben geschenkt.«
»Und dafür schuldet ihr uns Dankbarkeit und Respekt«, fügte Isis hinzu.
»Wir schulden euch gar nichts!«, widersprach Sophie.
Fast direkt unterhalb der Plattform hörten sie Waffengeklirr, das Heulen von Anpu und das Fauchen von Katzen.
Zitternd vor Angst und Wut wandte Josh sich ab und trat an den Rand des Daches. Ihm war übel und er hatte solche Kopfschmerzen, dass er fast nichts mehr sah. Aber er hätte die beiden ohnehin nicht mehr anschauen können. Seine Hände öffneten und schlossen sich krampfartig, während er die schrecklichen Enthüllungen zu begreifen versuchte.
Direkt unter sich sah er Palamedes und William Shakespeare. Der Dichter wedelte mit den Händen und zauberte Schlangen und Echsen aus der Luft. Lachend ließ er sie auf die Bestien unter sich herabregnen und trieb sie damit zurück.
Josh sah, wie ein Anpu eine lange, gewehrähnliche Waffe hob und einen Schuss abfeuerte. Shakespeare fiel ohne einen Laut und im nächsten Moment waren die giftigen Echsen und Schlangen verschwunden. Die Angreifer stürmten vorwärts und ein Adler mit Löwenkopf löste sich aus der Menge und wollte nach dem gefallenen Unsterblichen schnappen. Palamedes packte das Ungeheuer, hielt es auf Armeslänge von sich und schleuderte es dann in das Meer aus Bestien weiter unten. Doch die Anpu kamen immer näher.
Josh warf den Kopf zurück und brüllte seine Angst und seinen Frust hinaus. Dann presste er den Daumen in die Handfläche und zauberte Feuer herbei, wie Prometheus es ihm beigebracht hatte. Eine feurige Welle ergoss sich donnernd über die Pyramide. Schäumend und wogend riss sie die Monster von den Stufen.
Schwankend ging er zur rechten Pyramidenseite, wo Saint-Germain mit grimmiger Miene Feuerbälle aus der Luft klaubte und sie mitten unter die mordlüsternen Monster warf. Die goldenen Steinstufen schmolzen.
Dann blickte Josh hinunter auf Prometheus und Tsagaglalal. Die Ältere stand aufrecht und unbewegt mit ausgestreckten Händen da. Kaltes, weißes Feuer floss wie Wasser die Stufen hinunter.
Josh schaffte es schließlich noch zur Ostseite der Pyramide, wo Johanna stand. Ihre stark beschädigte Rüstung leuchtete wie eine silberne Fackel und blendete die brüllenden, fauchenden und sabbernden Bestien. Sie war von Anpu umringt; einige schlichen sich von hinten an sie heran. Josh hob die Hand, ein Flammenspeer erschien – doch dann hielt er inne. Die Bestien waren bereits zu nah, das Feuer würde auch Johanna verletzen.
Und dann tauchte eine Gestalt aus der Nacht auf.
Ein Gleitschirmflieger schraubte sich in engen Spiralen herunter.
Das Licht von Johannas Rüstung beschien ein blasses Gesicht, leuchtend rotes Haar und spitze Vampirzähne.
Josh sah, wie Scathach sich im letzten Moment aus ihrem Schirm löste und sich mit einem Freudenschrei auf die erschrockenen Anpu stürzte. Sie und Johanna stellten sich Rücken an Rücken auf. Die Waffen der Schattenhaften wirbelten und die Anpu fielen reihenweise.
Doch immer noch
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