Die geheimnißvolle Insel
schwarzen Punkt am Ufer zeigte.
»Was sehe ich denn da unten am flachen Ufer?« sagte er.
Alle richteten die Blicke nach der bezeichneten Stelle.
»Wirklich, begann der Reporter, dort liegt irgend Etwas; man könnte es für eine halb im Sande vergrabene Seetrift halten.
– O, rief Pencroff, ich erkenne, was es ist!
– Was denn? fragte Nab.
– Tonnen, Tonnen, die vielleicht gefüllt sein könnten! antwortete der Seemann.
– Halten Sie nach dem Ufer, Pencroff!« sagte Gedeon Spilett.
Nach kurzer Zeit landete die Pirogue in einer kleinen Ausbuchtung, und ihre Passagiere sprangen an’s Land.
Pencroff hatte sich nicht getäuscht. Dort lagen zwei Fässer, halb von Sand bedeckt, aber noch fest mit einer großen Kiste verbunden, die durch jene so lange schwimmend erhalten zu sein schien, bis sie am Strande auflief.
»Hier hat also nahe der Insel ein Schiffbruch stattgefunden? fragte Harbert.
– Augenscheinlich, antwortete Gedeon Spilett.
– Was steckt aber in der Kiste? rief Pencroff in seiner natürlichen Ungeduld. Was steckt in der Kiste? Sie ist verschlossen, und uns fehlt jedes Hilfsmittel, um den Deckel zu öffnen. Nun denn, mit einem Steine wird’s wohl gehen …«
Schon wollte der Seemann mit einem tüchtigen Felsstücke die Wand der Kiste einschlagen, als ihn der Ingenieur davon abhielt.
»Pencroff, begann er, können Sie Ihre Ungeduld wohl eine Stunde lang zügeln?
– Aber, Herr Cyrus, bedenken Sie doch, darinnen steckt vielleicht Alles, was uns fehlt.
– Das werden wir erfahren, Pencroff, fuhr der Ingenieur fort, aber folgen Sie mir und zertrümmern die Kiste nicht, die uns noch von Nutzen sein kann. Wir wollen sie nach dem Granithause schaffen, dort können wir sie leichter und ohne sie zu zerstören öffnen. Jetzt ist sie noch ganz wohl verpackt, und da sie bis hierher geschwommen ist, wird sie auch noch bis zur Flußmündung schwimmen.
– Sie haben Recht, Herr Cyrus, und ich hatte Unrecht, antwortete der Seemann, aber man ist nicht immer Herr über sich.«
Des Ingenieurs Rathschlag war gewiß der beste. Zunächst hätte die Pirogue die Gegenstände alle, welche in der Kiste verpackt sein mochten, nicht tragen können; denn schwer mußten jene sein, da man sie mittels zweier leerer Tonnen vor dem Untersinken zu bewahren gesucht hatte. Auf jeden Fall erschien es also gerathener, sie bis zu der Uferstelle vor dem Granithause heranzulootsen.
Doch woher rührte diese Seetrift? Diese wichtige Frage drängte sich unwillkürlich Jedem auf. Cyrus Smith und seine Begleiter blickten aufmerksam umher und durchliefen auch das Uferland einige hundert Schritte weit. Kein anderes Trümmerstück war zu sehen. Man spähete über das Meer. Harbert und Nab begaben sich auf einen hervorragenden Felsen, doch der weite Horizont war öde. Weder ein verlassenes Schiff, noch ein Fahrzeug unter Segel zeigte sich den Blicken.
Daß ein Schiffbruch stattgefunden habe, konnte nicht zweifelhaft sein. Vielleicht stand das aufgefundene Schrotkorn damit im Zusammenhange? Vielleicht waren Fremde an einem anderen Küstenpunkte an’s Land gekommen oder gar jetzt noch da? Das Eine nur schien den Colonisten außer Zweifel zu sein, daß jene Fremden keine malayischen Seeräuber sein konnten, denn das Strandgut verrieth zu deutlich einen amerikanischen oder europäischen Ursprung.
Alle sammelten sich wieder bei der Kiste, die bei fünf Fuß Länge gegen drei Fuß Breite haben mochte. Sie war aus Eichenholz gefertigt, sehr sorgfältig verschlossen und mit einem dicken, durch kupferne Nägel gehaltenen Felle überzogen. Auch die beiden Tonnen erwiesen sich luftdicht verschlossen, was aus dem Tone bei dem Anschlagen zu entnehmen war. Sie hingen mittels starken Seilen, deren Knoten Pencroff sofort als »Seemannsknoten« wiedererkannte, an beiden Seiten derselben. Die Kiste selbst schien vollkommen gut erhalten, was sich daraus leicht erklärt, daß sie auf einem flachen, sandigen Ufer sitzen geblieben und nicht aus Klippen geworfen worden war. Eine nähere Betrachtung lehrte auch, daß sie nicht lange Zeit im Meere umhergetrieben sein und ebenso, daß sie nur erst seit Kurzem am Strande liegen konnte. In das Innere derselben schien kein Wasser gedrungen zu sein, so daß man hoffen durfte, ihren Inhalt unversehrt aufzufinden.
Offenbar war diese Kiste von einem verlassenen Schiffe aus über Bord geworfen worden und die Passagiere hatten sie gewiß in der Hoffnung den Wellen anvertraut, dieselbe am Lande wieder aufzufinden,
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