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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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prächtigen Coniferen, denen die Eingeborenen Neu-Seelands den Namen »Kauris« gegeben, wohl an zweihundert Fuß hoch empor.
    »Da fällt mir Etwas ein, Herr Spilett, begann Harbert wieder. Wenn ich den Gipfel eines dieser Kauris erkletterte, könnte ich wohl einen weiten Umkreis des Landes übersehen.
    – Das wohl, antwortete der Reporter; aber wirst Du denn im Stande sein, einen solchen Riesen ganz zu ersteigen?
    – Versucht wird es«, antwortete Harbert.
    Schnell und gewandt schwang sich der junge Mann auf die untersten Aeste, deren Anordnung die Besteigung des Kauris wesentlich erleichterte, und schon nach wenigen Minuten erreichte er dessen Gipfel, der das grüne Blätterdach des umgebenden Waldes ansehnlich überragte.
    Von diesem hohen Standpunkte aus breitete sich vor dem Blicke der ganze südliche Theil der Insel, vom Krallen-Cap im Südosten bis zum Schlangen-Vorgebirge im Südwesten, aus. Im Nordosten erhob sich der Franklin-Berg, der gut ein Viertheil des Horizontes bedeckte.
    Harbert vermochte jedoch von seinem hochliegenden Beobachtungsorte aus den ganzen bis dahin unbekannten Theil der Insel zu übersehen, der etwa Fremden, über deren Anwesenheit man im Zweifel war, eine Zuflucht gewähren oder gewährt haben konnte. Der junge Mann spähte mit gespanntester Aufmerksamkeit umher. Auf dem Meere zunächst war Nichts zu sehen, kein Segel, weder am Horizonte, noch nahe der Küste Bei dem das Gestade bedeckenden Baumdickicht blieb immerhin die Möglichkeit vorhanden, daß ein vielleicht entmastetes Schiff ganz nahe an der Küste lag und sich dadurch Harbert’s Blicken entzog. Nach den Wäldern des fernen Westens sah er sich ebenso vergeblich um. Die Baumkronen bildeten dort ein mehrere Quadratmeilen großes, undurchdringliches, grünes Gewölbe, ohne Lichtungen oder Blößen. Ebenso war es unmöglich, den Lauf der Mercy bis zu ihren Quellen an dem Berge zu verfolgen. Auch ob andere Wasseradern etwa nach Westen strömten, ließ sich von hier aus nicht entscheiden.
    Wenn Harbert so jedes directe Zeichen eines Lagers fehlte, konnte er nicht vielleicht eine Rauchsäule aufsteigen sehen, welche die Anwesenheit von Menschen verrathen müßte? Die Luft war so klar, daß auch der schwächste Rauch sich deutlich vom blauen Himmel abgehoben hätte.
    Einen Augenblick glaubte Harbert wohl im Westen einen seinen Rauch emporwirbeln zu sehen, eine genauere Betrachtung überzeugte ihn aber, daß er sich getäuscht habe. Er lugte hinaus, so scharf er konnte, und sein Gesicht war vortrefflich … Nein, es war entschieden Nichts zu sehen.
    Harbert klomm den Kauri wieder hinab, und beide Jäger kehrten nach dem Granithause zurück. Cyrus Smith hörte den Bericht des jungen Mannes an und schüttelte den Kopf, ohne ein Wort zu erwidern. Offenbar war ja die ganze Frage auch vor einer sorgfältigen Durchforschung der ganzen Insel gar nicht spruchreif.
    Zwei Tage darauf – am 28. October – trug sich ein anderer Vorfall zu, dessen Erklärung ebenfalls so Manches zu wünschen übrig ließ.
    Als Nab und Harbert nämlich ganz von ungefähr etwa zwei Meilen vom Granithause auf dem Strande umherstreiften, glückte es ihnen, ein prächtiges Exemplar einer Wasserschildkröte zu fangen. Es war das eine Riesenschildkröte aus der Mydas-Familie, deren Rückenschild in herrlichen, grünen Reflexen schimmerte.
    Harbert bemerkte zuerst das Thier, als es zwischen Felsstücken nach dem Meere zu kroch.
    »Hierher, Nab! rief er. Her zu mir!«
    Nab lief eilends herbei.
    »Ein schönes Thier, sagte Nab, aber wie sollen wir uns seiner versichern?
    – Nichts leichter als das, Nab, antwortete Harbert. Wir brauchen die Schildkröte nur auf den Rücken zu wenden, so vermag sie nicht mehr zu entfliehen. Nehmt Euren Spieß und macht es wie ich.«
    Das Reptil hatte sich in Vorahnung der Gefahr ganz zwischen Rücken-und Brustschild zurückgezogen. Weder Kopf noch Füße desselben waren sichtbar, und so lag es unbeweglich, wie ein Felsstück.
    Harbert und Nab brachten ihre Stöcke unter das Brustbein des Thieres, und mit vereinten Kräften, doch nicht ohne Mühe, gelang es ihnen, dasselbe auf den Rücken zu legen. Die Schildkröte mochte bei drei Fuß Länge wohl an vierhundert Pfund wiegen.
    »Schön, jubelte Harbert; das wird eine Freude für Pencroff sein!«
    Wirklich mußte Freund Pencroff gewiß ebenso darüber jubeln, denn das Fleisch dieser Schildkröten, die sich von Seegräsern nähren, ist ein anerkannter Leckerbissen. Eben ließ die Gefangene

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