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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Jetzt neigt man mehr zu der Annahme, daß es Dampf sei, der sich bei der plötzlichen Berührung mit der kalten Luft condensiren und in Form von Regen niederfallen soll.
    Indessen beschäftigte die Anwesenheit des Seesäugethieres die Aufmerksamkeit der Colonisten unablässig. Vorzüglich reizte sie Pencroff und hielt ihn wiederholt von seiner Arbeit ab. Er hatte endlich sein wahres Vergnügen an dem Walfisch, wie Kinder gerade an verbotenen Dingen. Während der Nacht sprach er laut von ihm im Traume, und hätte er nur die geeigneten Mittel gehabt, demselben zu Leibe zu gehen, wäre z.B. die Schaluppe im Stande gewesen, das Meer zu halten, er hätte nicht einen Augenblick gezögert, sich zur Verfolgung des Riesen aufzumachen.
    Was die Colonisten aber nicht auszuführen vermochten, das that der Zufall für sie, und am 3. Mai kündigten die Jubelrufe Nab’s, der eben am Küchenfenster stand, an, daß der Walfisch am Ufer der Insel gestrandet sei.
    Gedeon Spilett und Harbert, welche sich eben zur Jagd begeben wollten, ließen ihre Gewehre stehen, Pencroff fiel die Axt aus der Hand, Cyrus Smith und Nab liefen herzu und Alle eilten nach dem Orte der Strandung.
    Dieser befand sich auf der sandigen Küste der Seetriftspitze, drei Meilen vom Granithause entfernt. Eben war hohes Meer, und lag die Wahrscheinlichkeit nahe, daß der Wal sich nicht leicht werde wieder frei machen können. Jedenfalls mußte man eilen, um ihm im Nothfalle den Rückzug abzuschneiden. Alle versorgten sich also mit Spießen und eisenbeschlagenen Stöcken, liefen über die Brücke der Mercy, an deren rechtem Ufer nach dem Strande hinab, und von hier aus befanden sich die Colonisten in weniger als zwanzig Minuten dem ungeheuren Thiere gegenüber, über welchem schon eine ganze Wolke von Vögeln umher flatterte.
    »Welch’ ein Riese!« rief Nab.
    Gewiß war diese Bezeichnung richtig, denn der Walfisch maß achtzig Fuß in der Länge und mochte nicht weniger als 150,000 Pfund wiegen.
    Inzwischen verhielt sich das gestrandete Ungeheuer auffallend ruhig und suchte sich selbst jetzt, bei hohem Meere, nicht durch Bewegungen wieder frei zu machen.
    Bald erklärte sich den Colonisten diese Unbeweglichkeit, als sie bei niedrigem Wasser um den Gefangenen herum gehen konnten.
    Er war nämlich todt und in seiner linken Seite stak noch eine Harpune.
    »In den benachbarten Meeren befinden sich also Walfischfahrer? sagte Gedeon Spilett.
    – Und warum das? fragte der Seemann.
    – Weil dort die Harpune noch …
    – O, Herr Spilett, das beweist nichts, fiel ihm der Seemann in’s Wort. Man hat Walfische mit einer Harpune in der Seite noch Tausende von Meilen zurücklegen sehen, und wir dürften uns gar nicht verwundern, wenn dieser hier im Norden harpunirt und im Süden des Pacifischen Oceans verendet wäre.
    – Indessen … wollte Gedeon Spilett noch sagen, da ihm Pencroff’s Versicherung nicht genügte.
    – Das ist sehr wohl möglich, bestätigte auch Cyrus Smith; doch wir wollen diese Harpune untersuchen. Vielleicht finden wir, wie gewöhnlich, den Namen des Schiffes, zu dem sie gehörte, darauf gezeichnet.«
    Und wirklich, als Pencroff die Harpune aus dem Walfisch gezogen hatte, las er auf derselben:
     
    Maria Stella
,
    Vineyard
.
     
    »Ein Schiff aus Vineyard! Ein Schiff aus meiner Heimat! rief Pencroff. Die ›Maria Stella!‹ Ein schöner Walfischfahrer, meiner Treu! Das Fahrzeug kenne ich bis zum Kiele! O, meine Freunde, ein Schiff aus Vineyard! Ein Walfischfahrer aus Vineyard!« 2
    Die Harpune über dem Kopfe schwingend rief der Seemann immer und immer wieder diesen Namen, der seinem Herzen so theuer war, den Namen seines Heimatlandes!
    Da man nicht darauf warten konnte, daß die Maria Stella das von ihr harpunirte Thier reclamirte, so beschloß man dasselbe abzuweiden, bevor es in Zersetzung überginge. Die Raubvögel, welche schon mehrere Tage um die reiche Beute kreisten, wollten sich unverzüglich in Besitz derselben setzen, so daß sie mit Flintenschüssen vertrieben werden mußten.
    Dieser Walfisch war übrigens ein Weibchen, in dem man eine sehr große Menge Milch fand, welche nach dem Urtheile des Naturforschers Dieffenbach recht gut für Kuhmilch hingehen konnte, von der sie sich weder durch den Geschmack, noch durch Färbung oder Dichtigkeit unterscheidet.
    Pencroff hatte früher einmal auf einem Walfischfahrer gedient und verstand die Abweidung des Speckes regelrecht zu leiten, – übrigens ein sehr unangenehmes Geschäft, das drei volle

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