Die geheimnißvolle Insel
ergab:
Westliche Länge: 150°30’
Südliche Breite: 34°57’.
Trotz der Unvollkommenheit seiner Apparate hatte Cyrus Smith also so geschickt operirt, daß der Fehler hierbei 5° nicht überstieg.
»Jetzt, fuhr Gedeon Spilett fort, da wir außer dem Sextanten auch einen Atlas besitzen, so lassen Sie uns, lieber Cyrus, doch einmal genau nachsehen, wo die Insel Lincoln im Pacifischen Ocean liegt«
Harbert holte den, wie erwähnt, in Frankreich erschienenen Atlas herzu, dessen Nomenclatur also auch in französischer Sprache abgefaßt war.
Die Karte des Stillen Oceans wurde ausgebreitet, und der Ingenieur wollte mit dem Zirkel in der Hand die Lage der Insel zwischen den Gradlinien derselben angeben.
Plötzlich hielt er mit dem Zirkel an und sagte:
»Aber in diesem Theile des Pacifischen Oceans liegt ja schon eine Insel!
– Eine Insel? wiederholte Pencroff.
– Eben die unserige ohne Zweifel? fragte Gedeon Spilett.
– Nein, erwiderte Cyrus Smith, jene Insel ist unter 153° der Länge und 37°11’ der Breite, d.h. zweiundeinhalb Grad westlicher und zwei Grad südlicher als die Insel Lincoln verzeichnet.
– Und wie heißt sie? fragte Harbert.
– Die Insel Tabor.
– Hat sie einen bedeutenden Umfang?
– Nein, sie stellt nur ein im Pacifischen Ocean verlorenes Eiland dar; das vielleicht noch keines Menschen Fuß betrat.
– Nun gut, so werden wir es besuchen, sagte Pencroff.
– Wir?
– Ja wohl, Herr Cyrus, wir erbauen eine gedeckte Barke, und ich mache mich anheischig, sie zu führen. Wie weit entfernt von der Insel Tabor befinden wir uns?
– Gegen einhundertfünfzig Meilen im Nordosten, antwortete Cyrus Smith.
– Einhundertfünfzig Meilen! Und das ist Alles? erwiderte Pencroff; mit einigermaßen günstigem Winde sind diese in achtundvierzig Stunden zurückgelegt.
– Welchen Zweck hätte das aber, fragte der Reporter.
– Das weiß man nicht und muß es abwarten!«
Angeregt durch diese Besprechung, beschloß man wirklich den Bau eines Schiffchens zu unternehmen, mit dem man sich kommenden October, mit Wiedereintritt der schönen Jahreszeit, auf das Meer hinauswagen könnte.
Zehntes Capitel.
Construction des Schiffes. – Die zweite Kornernte. – Kulajagd. – Eine mehr angenehme als nützliche Pflanze. – Ein Wallfisch in Sicht. – Die Harpune aus Vineyard. – Zerstückelung des Wales. – Verwendung des Fischbeines. – Das Ende des Monats Mai. – Pencroff bleibt nichts mehr zu wünschen übrig.
Hatte sich Pencroff einmal Etwas in den Kopf gesetzt, so ruhte er auch nicht eher, als bis es ausgeführt war. Jetzt beherrschte ihn der Gedanke, die Insel Tabor zu besuchen; und da diese Ueberfahrt ein Fahrzeug von einer gewissen Größe verlangte, so mußte ein solches eben gebaut werden.
Folgendes der Plan zu demselben, der von dem Ingenieur im Verein mit dem Seemanne aufgestellt wurde:
Das Schiff sollte fünfunddreißig Fuß im Kiele und neun Fuß in der größten Breite messen, bei gut geformten Seiten und richtiger Schwimmlinie die Verhältnisse eines Schnellseglers, – nicht mehr als sechs Fuß Tiefgang haben, der dennoch hinreichend schien, zu leichte Abweichungen zu verhindern. Auf dem dasselbe vollkommen verschließenden Verdecke gedachte man zwei Luken, als Eingang für zwei durch eine Scheidewand getrennte Räume, anzubringen, und ihm eine Schaluppentakelage mit Brigantine, Sturm-und Nothsegel, Bugspriet und Fockmast zu geben, Alles in Allem eine leicht zu behandelnde Ausrüstung, welche plötzlichen Windstößen gut Widerstand leistet und nahe am Winde zu segeln gestattet. Sein Rumpf sollte endlich aus stumpf aneinander gefügten, nicht übergreifenden Planken bestehen, das Rippenwerk aber erst nach Vollendung der über falsche Rippen aufgepaßten Bordwände eingesetzt werden.
Welche Holzart sollte nun zum Bau dieses Schiffes verwendet werden? Ulme oder Kiefer, an denen Beiden die Insel Ueberfluß hatte? Man entschied sich für die Kiefer, welche nach dem Ausdrucke der Zimmerleute ein »spaltiges« Holz giebt, das leicht zu bearbeiten und im Wasser ebenso ausdauernd ist, als das der Ulme.
Nach Feststellung dieser Einzelheiten kam man dahin überein, daß Cyrus Smith und Pencroff nur allein an dem Schiffe bauen sollten, da die schöne Jahreszeit doch erst in sechs Monaten wiederkehrte. Gedeon Spilett und Harbert sollten ihre Jagdzüge fortsetzen und Nab, mit Unterstützung Meister Jup’s, seines Gehilfen, die häuslichen, ihnen früher zugetheilten Arbeiten
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