Die geheimnißvolle Insel
auch Ayrton über all’ das Fremdartige in Kenntniß zu setzen, was sich die letzten zwei Jahre über hier zugetragen hat. Wer der unbekannte Wohlthäter sein möge, dessen uns so glückliches Auftreten sich wiederholt gezeigt hat, vermag ich freilich nicht zu sagen. Welches Interesse ihn leiten mag, sich trotz so vieler Liebesdienste vor uns zu verbergen, begreife ich ebenso wenig. Darum verlieren jedoch seine Dienste nicht an Werth, ja, sie sind von der Art, daß nur ein über außergewöhnliche Hilfsmittel gebietender Mann sie zu leisten vermochte. Ayrton ist ihm nicht weniger verpflichtet, als wir; denn wenn es jener Unbekannte war, der mich nach dem Fall aus dem Ballon noch aus den Fluthen rettete, so ist er es offenbar auch gewesen, der jenes Document geschrieben und jene Flasche in’s Meer geworfen hat, die von der Lage unseres Genossen die erste Nachricht gab. Auch die Kiste mit ihrem jedem Bedürfnisse entsprechenden Inhalt wird er nach der Seetriftspitze gebracht und auf den Strand befördert haben; er entzündete ohne Zweifel auf einer Anhöhe der Insel das Feuer, das Euch damals den rechten Weg zeigte; das Schrotkorn im Fleische des Pecari rührte aus seinem Gewehre her; den Torpedo, der das Piratenschiff vernichtete, hat er in den Canal versenkt, – kurz, alle jene unerklärlichen Vorkommnisse, über welche wir uns niemals Rechenschaft zu geben vermochten, sind gewiß ihm allein zuzuschreiben. Und wer er auch sein möge, ob ein Schiffbrüchiger dieser Insel oder ein Verlassener, wir wären undankbar, wenn wir uns jeder Erkenntlichkeit gegen ihn enthoben glaubten. Wir haben viele Schulden gemacht, ich hoffe aber, daß sie dereinst zurückgezahlt werden.
– Sie thun recht, so zu sprechen, lieber Cyrus, antwortete Gedeon Spilett. Gewiß, auf der Insel ist ein fast allmächtiges Wesen verborgen, dessen Einfluß sich unserer Colonie wiederholt ausnehmend vortheilhaft bemerkbar machte. Mir scheint es, als ständen diesem Unbekannten fast übernatürliche Mittel zu Gebote, wenn man im praktischen Leben überhaupt an etwas Uebernatürliches glauben könnte. Ist er es wohl, der sich durch den Schacht im Granithause mit uns in Verbindung und auf diesem Wege von jedem Vorhaben Kenntniß erhält? Warf er jener Zeit Top aus dem Wasser des Sees herauf und brachte er dem Dugong die tödtliche Wunde bei? Hat er auch, worauf alle Umstände hindeuten, Sie, Cyrus, unter Verhältnissen aus der Brandung gerettet, die vielleicht jedem Anderen eine Hilfsleistung unmöglich gemacht hätten? Und wenn er es war, so besitzt er eine Macht, die ihn selbst über die Elemente herrschen läßt.«
Jeder fühlte die Wahrheit in den Worten des Reporters.
»Ja wohl, fuhr Cyrus Smith fort, wenn hier auch nur von der Intervention eines menschlichen Wesens die Rede sein kann, so stimme ich doch der Ansicht bei, daß er über bisher ungewöhnliche Mittel gebieten muß. Hierin liegt noch ein Geheimniß; doch wenn wir erst den Menschen finden, wird auch dieses gelöst werden. Es fragt sich für jetzt also, ob wir das Incognito dieses großmüthigen Wesens respectiren oder Alles thun sollen, um zu ihm zu gelangen. Was meint Ihr hierüber?
– Meiner Ansicht nach, ließ sich Pencroff vernehmen, ist Jener ein kreuzbraver Mann, der unsere vollste Hochachtung verdient.
– Zugestanden, erwiderte Cyrus Smith; doch das ist keine Antwort auf meine Frage, Pencroff.
– Herr Smith, sagte Nab, ich glaube, wir können jenen Ehrenmann suchen, soviel wir wollen, aber finden werden wir ihn doch nur, wenn es ihm beliebt.
– Das ist nicht dumm, was Du sagst, Nab, erklärte Pencroff.
– Ich theile zwar Nab’s Ansicht, begann Gedeon Spilett, doch das darf uns kein Hinderniß sein, den Versuch zu machen. Ob wir jenes geheimnißvolle Wesen nun finden oder nicht, so haben wir doch unsere Pflicht gethan.
– Und Du, mein Kind, sprich Dich ebenfalls aus, sagte der Ingenieur zu Harbert gewendet.
– O, rief Harbert mit freudestrahlendem Auge, ich möchte ihm danken, ihm, der erst Sie und dann auch uns Alle gerettet hat!
– Oho, mein Junge, versetzte Pencroff, das möchte ich auch, und wir gewiß Alle. Ich bin nicht neugierig, aber ein Auge gäbe ich doch darum, den Sonderling von Angesicht zu Angesicht zu sehen! Mich dünkt, er müsse schön, groß, stark sein, einen prächtigen Bart, Haare wie einen Heiligenschein haben und auf Wolken ruhen mit einer großen Kugel in der Hand!
– Aber, Pencroff, erwiderte Gedeon Spilett, das ist ja das Ebenbild
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