Die geheimnißvolle Insel
Gottes, was Sie da ausmalen.
– Kann sein, Herr Spilett, antwortete der Seemann, aber so stelle ich mir Jenen einmal vor.
– Und Sie, Ayrton? fragte der Ingenieur.
– Herr Cyrus, entgegnete Ayrton, ich kann hierüber kein eigenes Urtheil abgeben. Was Sie thun mögen, wird wohlgethan sein. Wollen Sie mich bei Ihren Nachforschungen mitnehmen, so bin ich bereit, Ihnen zu folgen.
– Ich danke, Ayrton, sagte Cyrus Smith, doch ich hätte eine directere Antwort auf die an Sie gerichtete Frage gewünscht. Sie gehören ganz zu uns, haben schon wiederholt Ihr Leben für uns gewagt, und so wie alle klebrigen haben auch Sie das Recht, um Ihren Rath gefragt zu werden, wenn es der Entscheidung einer wichtigen Frage gilt. Sprechen Sie also.
– Herr Smith, antwortete Ayrton, ich denke, wir sollten Alles aufbieten, den unbekannten Wohlthäter zu finden. Vielleicht steht er einsam da? Vielleicht leidet er sogar? Vielleicht ist auch hier ein Menschenleben zu retten? Ich selbst habe, nach Ihrem Ausspruche, eine Schuld gegen ihn wett zu machen. Er war es, er kann es nur gewesen sein, der auf der Insel Tabor den verkommenen Elenden auffand, wie Sie ihn gekannt haben, der Ihnen die Mittheilung zukommen ließ, daß dort ein Unglücklicher zu retten sei! – Ihm verdanke ich es zuerst, daß ich wieder zum Menschen wurde – o, ich werde es nie vergessen!
– Es ist also entschieden, erklärte Cyrus Smith, wir beginnen unsere Nachforschungen sobald als möglich. Kein Theil der Insel soll übergangen werden. Wir durchsuchen sie bis in die geheimsten Winkel, der Unbekannte vergeb es uns, um der guten Absicht willen!«
Einige Tage lang beschäftigten sich die Colonisten angestrengt mit der Heu-und Getreideernte. Vor der Ausführung ihres Vorhabens, die noch unbekannten Theile der Insel zu durchforschen, wollten sie die unaufschieblichen Arbeiten vollendet haben. Jetzt waren auch die verschiedenen von der Insel Tabor eingeführten eßbaren Pflanzen einzusammeln. Alles mußte seinen Platz finden, an dem es im Granithause zum Glück ja nicht mangelte, ja, in welch’ Letzterem man alle Schätze der Insel hätte bergen können.
Pencroff säubert die Geschützrohre. (S. 547.)
Die Producte der Colonie befanden sich darin, methodisch geordnet, ebenso geschützt vor der Witterung, wie vor Menschen oder Thieren. In den dickwandigen Steingemächern war keine schädliche Feuchtigkeit zu befürchten. Einzelne natürliche Höhlungen erweiterte man mit Hilfe der Hacke oder des Sprengens, und so gestaltete sich das Granithaus gewissermaßen zum Generaldepot für die Nahrungsmittel, Munitionen, Werkzeuge, Ersatzgeräthschaften, mit einem Worte für das gesammte Material der Ansiedelung.
Die von der Brigg herrührenden Kanonen, übrigens sehr hübsche Gußstahlgeschütze, wurden mittels Tauen und Krahnen nach der Wohnung empor gewunden; zwischen den Fenstern brachte man Schießscharten an, und bald gewahrte man ihre glänzende Mündung außerhalb der Granitwand. Von dieser Höhe aus beherrschten die Feuerschlünde wohl die ganze Unions-Bai. Es war ein kleines Gibraltar, und jedes Schiff, das sich der Insel nähern wollte, setzte sich unvermeidlich dem Feuer dieser Luftbatterie aus.
»Nun, Herr Cyrus, begann Pencroff eines Tags – es war am 8. November, – da die Armirung unserer Festung beendigt ist, müssen wir doch auch die Tragweite unserer Geschütze erproben.
– Halten Sie das für zweckmäßig? fragte der Ingenieur.
– Für mehr als zweckmäßig, für nothwendig. Wie können wir ohnedem wissen, bis zu welcher Entfernung eine solche hübsche Bohne, deren wir genug haben, wohl fliegt.
– Gut, so versuchen wir es, Pencroff, stimmte der Ingenieur zu. Jedenfalls bin ich aber dafür, zu dem Experimente nicht das gewöhnliche Pulver zu verwenden, dessen Vorrath möglichst unberührt bleiben mag, sondern Pyroxilin, an dem es niemals fehlen wird.
– Werden die Kanonen auch der furchtbaren Kraft des Pyroxilins widerstehen? fragte der Reporter, der weit weniger als der Seemann begierig war, die Artillerie des Granithauses spielen zu lassen.
– Ich glaube es, beruhigte ihn der Ingenieur. Uebrigens werden wir auch vorsichtig zu Werke gehen.«
Der Ingenieur erkannte ja die ausgezeichnete Qualität der Geschütze, auf welche er sich verstand. Aus Stahl gefertigt und als Hinterlader eingerichtet, mußten sie eine sehr starke Ladung aus halten und eine enorme Tragweite haben. Um einen hohen Effect zu erzielen, muß die Flugbahn eines
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