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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Granithaus um neun Uhr zwölf Minuten verlassen. Binnen fünfunddreißig Minuten hatten sie drei Meilen von den fünf, welche die ganze Entfernung betrug, zurückgelegt.
    Da leuchteten einzelne fahle Blitze über der Insel auf und zeigten in schwarzen Umrissen die Linien des Blätterdaches. Das helle Licht blendete die nächtlichen Wanderer. Bald mußte das Unwetter sich entladen. Die Blitze wurden häufiger und heller. In den Tiefen des Horizontes entferntes Rollen. Die Atmosphäre war erstickend.
    Die Colonisten eilten, als triebe eine unwiderstehliche Kraft sie vorwärts.
    Um zehn ein viertel Uhr zeigte ihnen ein lebhafter Blitz die Palissadenwand, und noch hatten sie deren Thor nicht erreicht, als ihm ein Donnerschlag mit furchtbarer Heftigkeit nachfolgte.
    In einem Augenblick war die Hürde durchmessen und stand Cyrus Smith vor dem Wohnhäuschen derselben.
    In demselben konnte sich der Unbekannte wohl befinden, denn von hier hatte jenes Telegramm nothwendig abgehen müssen; indeß kein Lichtschein erhellte die Fenster.
    Der Ingenieur klopfte an die Thür.
    Keine Antwort.
    Er öffnete sie, und die Colonisten betraten das dunkle Zimmer.
    Nab schlug Feuer an, und sofort ward eine Leuchte angezündet und keine Ecke des Raumes undurchsucht gelassen.
    Hier befand sich Niemand. Alles lag in derselben Ordnung, wie man es zurückgelassen hatte.
    »Sollten wir durch eine Illusion getäuscht worden sein?« murmelte Cyrus Smith.
    Nein? Das war unmöglich! Das Telegramm lautete deutlich:
    »Kommt sofort nach der Hürde!«
    Man näherte sich dem Tische, von dem die Drahtleitung auslief. Alles war an seiner Stelle; die Säule sammt dem Kasten derselben, ebenso wie alle Theile des Apparates.
    »Wer ist zuletzt hier gewesen? fragte der Ingenieur.
    – Ich, Herr Smith, antwortete Ayrton.
    – Und das war …?
    – Vor vier Tagen.
    – Ah, hier eine Notiz!« rief Harbert und wies nach einem auf dem Tische liegenden Papiere.
    Das Papier enthielt in englischer Sprache die Worte:
    »Folgt der neuen Leitung.«
    »Vorwärts!« rief Cyrus Smith, der jetzt einsah, daß die Depesche gar nicht von der Hürde, sondern von dem geheimnißvollen Zufluchtsorte des Unbekannten ausgegangen sein werde, einer Stelle, welche ein an den alten geknüpfter Draht direct mit dem Granithause in Verbindung setzte.
    Nab ergriff die angezündete Fackel, und alle verließen die Hürde.
    Das Unwetter brach jetzt mit ungemeiner Heftigkeit los. Die Intervalle zwischen Blitz und Donner wurden kürzer und kürzer. Das Wetter tobte über dem Franklin-Berge und der ganzen Insel. Bei dem kaum unterbrochenen Scheine sah man den Gipfel des Berges von Dampfmassen umhüllt.
     

    Nächtliches Unwetter. (S. 652.)
     
    In dem ganzen Theile der Hürde zwischen dem Hause und der Umzäunung fand sich keine weitere telegraphische Verbindung. Als der Ingenieur aber vor das Thor kam und nach dem ersten Leitungspfahle ging, sah er beim Scheine eines Blitzes einen zweiten Draht von dem Isolator nach der Erde herabhängen.
    »Da ist er!« sagte er.
    Der Draht lag am Boden hin, war aber in seiner ganzen Länge von einer isolirenden Hülle, ähnlich den unterseeischen Kabeln bedeckt, welche die unbehinderte Fortleitung des Stroms garantirte. Er verlief übrigens quer durch den Wald und über die südlichen Bergausläufer, d.h. in der Richtung nach Westen.
    »Folgen wir ihm!« sagte Cyrus Smith.
    Bald bei dem Scheine ihrer Fackel, bald geführt von den leuchtenden Blitzen, begaben sich die Colonisten auf den von dem Drahte ihnen vorgezeichneten Weg.
    Der Donner rollte jetzt unaufhörlich und so furchtbar, daß man kein Wort hätte verstehen können. Uebrigens handelte es sich jetzt auch nicht darum, zu plaudern, sondern vorwärts zu kommen.
    Cyrus Smith und die Seinigen erstiegen zuerst den Bergrücken zwischen den Thälern der Viehhürde und des Cascadenflusses, den sie an der schmalsten Stelle überschritten. Der Draht, welcher einmal über niedrige Baumzweige, einmal direct am Boden hinlief, führte sie sicher ihrem Ziele näher.
    Der Ingenieur hatte vorausgesetzt, der Draht werde im Grunde des Thales endigen und sich dort der Zufluchtsort des Unbekannten finden.
    Es war nicht an dem. Man mußte auch den nächsten südwestlichen Ausläufer erklimmen und nach jener dürren schiefen Ebene hinabsteigen, welche mit den so bunt durcheinander gewürfelten Basaltblöcken endigte. Von Zeit zu Zeit bückte sich einer der Colonisten, tastete nach dem Faden und verbesserte, wenn nöthig, die

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