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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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oder ließ Pencroff schwätzen, und endlich wollte der Reporter gar ein Journal, den
New-Lincoln-Herald
, begründen.
    So ist aber das Herz des Menschen. Sein Bedürfniß, etwas zu schaffen, was andauert und ihn überlebt, ist das Zeichen seiner Superiorität über Alles, was hienieden lebt. Ebendas hat seine Oberherrschaft begründet und rechtfertigt sie noch allenthalben.
    Wer weiß, ob nicht Top und Jup ebenfalls ihren kleinen Zukunftstraum hatten?
    Der schweigsame Ayrton sagte sich, daß er nur Lord Glenarvan wiedersehen und sich Allen als ordentlichen, wackeren Mann zeigen wollte.
    Eines Abends, am 15. October, hatte sich die Unterhaltung über derartige Hypothesen länger als gewöhnlich ausgedehnt. Es war schon neun Uhr geworden. Manch schlecht verhehltes Gähnen verrieth, daß die Stunde des Schlafes gekommen, und Pencroff begab sich eben nach seinem Bette, als die elektrische Klingel im Saale plötzlich ertönte.
    Alle waren anwesend, Cyrus Smith, Gedeon Spilett, Harbert, Ayrton, Pencroff, Nab, – es befand sich also keiner der Colonisten bei der Hürde.
    Cyrus Smith hatte sich erhoben. Seine Gefährten sahen einander an und meinten falsch gehört zu haben.
    »Was soll das bedeuten? rief Nab. Läutet denn der Teufel?«
    Niemand gab eine Antwort.
    »Das Wetter droht mit Gewitter, bemerkte Harbert. Sollte der Einfluß der Luftelektricität …?«
    Harbert vollendete den Satz gar nicht. Der Ingenieur, auf den sich alle Blicke richteten, schüttelte verneinend den Kopf.
    »Geduld, sagte Gedeon Spilett; sollte das ein Signal sein, so wird es sich, wer es auch immer gab, wiederholen.
    – Aber wer, meinen Sie, könnte das gewesen sein? fragte Nab.
    – Nun, derjenige …«, erwiderte Pencroff – aber die Worte des Seemannes schnitt ein neues Erzittern des Hämmerchens an dem Läutewerke ab.
    Cyrus Smith trat an den Apparat heran und telegraphirte nach der Hürde die Anfrage:
    »Was begehrt Ihr?«
    Einige Augenblicke später bewegte sich der Zeiger über die Scheibe und gab den Bewohnern des Granithauses die Antwort:
    »Kommt sofort nach der Hürde!«
    »Endlich!« rief Cyrus Smith.
    Ja, endlich! Das Geheimniß sollte enthüllt werden. Vor dem ungeheuren Interesse, das sie jetzt nach der Hürde trieb, verschwand alle Müdigkeit der Colonisten und jedes Bedürfniß nach Ruhe. Ohne ein Wort zu sprechen, verließen sie nach wenigen Augenblicken das Granithaus und befanden sich auf dem Strande. Nur Jup und Top waren zurück geblieben. Man konnte ihrer jetzt entbehren.
    Die Nacht war schwarz, der Mond, jetzt Neumond, mit der Sonne gleichzeitig untergegangen. Wie Harbert bemerkt hatte, verdunkelten dicke und schwere Gewitterwolken den Himmel und ließen kein Sternchen durchscheinen. Dann und wann erhellte etwas Wetterleuchten, der Reflex eines entfernten Gewitters, den Horizont.
    Es schien nicht unmöglich, daß nach Verlauf einiger Stunden der Donner über der Insel grollte. Es war eine drohende Nacht.
    Aber auch die tiefste Finsterniß konnte Leute, welche diesen Weg nach der Hürde aus dem Grunde kannten, nicht zurückhalten. Sie erstiegen längs des linken Mercy-Ufers das Plateau, überschritten die Brücke des Glycerineflusses und wandten sich quer durch den Wald.
    Ihre lebhafte Erregung trieb sie rasch vorwärts. Bei ihnen unterlag es keinem Zweifel mehr, daß sie jetzt die oft gesuchte Lösung jenes Räthsels finden sollten, den Namen jenes geheimnißvollen Wesens, das oft so fühlbar in ihr Leben eingegriffen, das sich so edelmüthig in seinem Einfluß, so mächtig bei dessen Geltendmachung bewies! Hatte sich dieser Unbekannte nicht direct in ihr Leben eingemischt, das er bis in alle Einzelheiten kannte; mußte er nicht hören können, was im Granithause gesprochen wurde, um immer gerade zum richtigen Zeitpunkte einzuschreiten?

    Jeder beschleunigte, in tiefes Sinnen verloren, seinen Schritt. Unter den Baumkronen herrschte eine solche Dunkelheit, daß man kaum den Weg vor sich erkannte. Dazu war es tief stille im Walde. Vierfüßler und Vögel hielten sich, wie beklommen von der schwülen Atmosphäre, unbeweglich ruhig. Kein Hauch bewegte die Blätter. Nur die Tritte der Colonisten hallten in der Finsterniß von dem härteren Boden wider.
    Während der ersten Viertelstunde wurde das Schweigen nur durch eine Bemerkung Pencroff’s unterbrochen:
    »Wir hätten eine Leuchte mitnehmen sollen.
    – In der Hürde werden wir eine solche finden«, antwortete der Ingenieur.
    Cyrus Smith und seine Genossen hatten das

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