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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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erhobener Pfote stehen, so als ob er irgend eine unsichtbare Beute wittere. Dann bellte er wüthend, gleich als riefe er zum Kampfe auf, und schwieg ebenso plötzlich wieder.
    Weder Cyrus Smith noch seine Genossen hatten bis dahin das Gebahren des Hundes beachtet, das Bellen desselben wiederholte sich aber so häufig, daß es dem Ingenieur auffiel.
    »Was mag nur Top haben?« fragte er.
    Der Hund kam mehrmals auf seinen Herrn zugesprungen und lief mit den deutlichsten Zeichen der Unruhe wieder nach dem steilen Ufer. Plötzlich sprang er in den See.
    »Hier, Top! rief Cyrus Smith, der seinen Hund in dem verdächtigen Wasser keiner Gefahr aussetzen wollte.
    – Was geht denn da unten vor? fragte Pencroff und faßte die Wasserfläche schärfer in’s Auge.
    – Top wird irgend eine Amphibie gewittert haben, meinte Harbert.
    – Gewiß einen Alligator? bemerkte der Reporter.
    – Das denke ich nicht, entgegnete Cyrus Smith. Die Alligatoren trifft man nur in minder hohen Breiten.«
    Inzwischen war Top auf den Zuruf seines Herrn zwar auf das Ufer zurückgekommen, konnte sich aber nicht wieder beruhigen; er sprang mitten durch das hohe Gras, und von seinem Instinct geführt, schien er irgend einem nicht sichtbaren Wesen zu folgen, das vielleicht unter dem Wasser, dicht am Rande hinglitt. Doch blieb die Wasserfläche vollkommen ruhig. Wiederholt hielten die Colonisten lauschend und forschend inne, ohne irgend etwas gewahr zu werden. Die Sache wurde nach und nach geheimnißvoll.
    Auch der Ingenieur hatte keine Erklärung dafür.
    »Setzen wir unsere Untersuchung weiter fort«, sagte er.
    Nach einer halben Stunde befanden sich Alle an der südöstlichen Ecke des Sees. Die Untersuchung seiner Ufer durfte hier als beendigt betrachtet werden, und doch blieb es dem Ingenieur noch immer ein Räthsel, wo und wie der Wasserabfluß stattfinde.
    »Doch ist ein Abfluß vorhanden, wiederholte er, und wenn er nicht an der Oberfläche liegt, so befindet sich eine Oeffnung in der Granitmasse!
    – Warum legen Sie dem Allem aber eine solche Wichtigkeit bei, lieber Cyrus? fragte Gedeon Spilett.
    – Die Sache verdient sie, erwiderte der Ingenieur; denn wenn der Abfluß durch den Gebirgsstock stattfindet, so wird es wahrscheinlich, daß letzterer eine Aushöhlung enthält, die nach Ableitung des Wassers leicht wohnbar gemacht werden könnte.
    – Ist es aber nicht ebenso möglich, Mr. Cyrus, bemerkte Harbert, daß das Wasser vom Grunde des Sees aus abfließt und unterirdisch ins Meer verläuft?
    – Gewiß, antwortete der Ingenieur, und wenn dem so wäre, müßten wir unser Haus uns freilich selbst erbauen, da uns die Natur dazu gar keine Hilfe leistet.«
    Die Colonisten beschlossen, – es war schon um fünf Uhr Nachmittags, – quer über das Plateau nach den Kaminen zurückzukehren, als Top wiederholte Zeichen von Unruhe bemerken ließ. Er bellte ganz wüthend, und noch bevor sein Herr ihn zurück zu halten vermochte, sprang er zum zweiten Male in den See.
    Alle liefen nach dem steilen Gestade. Schon schwamm der Hund in einer Entfernung von gegen zwanzig Fuß; Cyrus Smith rief ihn dringend zurück, da tauchte ein gewaltiger Kopf aus dem hier offenbar nicht sehr tiefen Wasser empor.
    Harbert vermeinte die Art dieser Amphibie, der jener konische Kopf mit großen Augen angehörte, sogleich zu erkennen.
    »Eine Seekuh!« rief er.
    Es war jedoch keine Seekuh, sondern ein Exemplar aus einer Unterart der Cetaceen, welche man »Dugongs« (indianische Walrosse) nennt, und erkennbar an den oberhalb der Schnauze weit offen stehenden Nasenlöchern.
    Das gewaltige Thier stürzte sich wüthend auf den Hund los, der erschreckt das Ufer wieder zu erreichen suchte. Sein Herr vermochte ihm nicht zu helfen, und noch bevor Gedeon Spilett und Harbert daran dachten, ihre Bögen zu ergreifen, verschwand Top, von dem Dugong erfaßt, unter dem Wasser.
    Nab wollte, seinen Spieß in der Hand, dem Hunde zu Hilfe eilen, entschlossen, das furchtbare Thier in seinem eigenen Elemente anzugreifen.
    »Nicht doch, Nab«, sagte der Ingenieur und hielt seinen muthigen Diener von dem tollkühnen Unternehmen ab.
    Inzwischen wüthete unter dem Wasser ein ganz unerklärlicher Kampf, weil Top unter diesen Verhältnissen offenbar keinen Widerstand zu leisten vermochte, ein Kampf, welcher doch nach dem Wallen an der Oberfläche ein sehr heftiger sein und mit dem Tode des Hundes endigen mußte. Plötzlich erschien aber Top wieder mitten in einem Kreise von Schaum. Durch irgend welche

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